Es ist soweit: Der Abschied von Martha und Martin steht an. Heute gibt es die letzte Szene daraus zu lesen. Hoffentlich nicht mit so vielen Fehlern wie befürchtet, wenn doch, dann werden diese sicher eines Tages noch nachgebessert.
Jetzt erst einmal viel Vergnügen mit dieser Version:
Martin hielt seiner Frau die Hand hin und zog sie vom Stuhl. „Wir schaffen das schon. Wirst sehen, die sechs Stunden sind schnell vorbei!“.
„Ja, ist gut!“, hauchte die Psychologin so schwach und weinerlich wie sie sich gerade fühlte. „Ich hoffe, du hast Recht.“
„Na klar, habe ich doch immer. Jedenfalls behaupte ich das immer. Haha!“, scherzte er fröhlich und spielte damit auf den Beginn ihrer Beziehung an.
Die Psychologin zwang sich zu einem bestätigenden Lächeln und folgte ihm in den Flur, um sich dort die Schuhe anzuziehen.
„Warum mache ich das noch mal, obwohl ich gar nicht mehr auf das Geld angewiesen bin?“, fragte sie genervt und thematisierte damit nun schon gefühlt zum zwanzigsten Mal im Laufe ihrer ersten Arbeitswoche dieselbe grundsätzliche Problematik.
„Weil du die Menschen liebst und ihnen dabei helfen willst, ein glücklicheres Leben zu führen und weil du dich ohne diese Aufgabe ganz schnell langweilen würdest!“
„Ach ja, stimmt. Angeblich ist das so …“ Sie erinnerte sich mit einem Mal wieder an die Zeit bei Susanne, dabei fiel ihr auf, wie weit diese aus ihrem Blickfeld gerutscht war und das, obwohl ihre Mutter bis vor wenigen Monaten noch ihre einzige Bezugsperson gewesen war.
„Ich vermisse sie überhaupt nicht!“, erklärte sie deshalb laut und ergänzte schnell, für ihren ratlos drein blickenden Mann: „Meine Mutter. Ich musste gerade an sie denken, als es um mein Leben ohne erfüllende Aufgabe ging. Es ist mir sogar in der Zwischenzeit vollkommen egal, wie sie ihr trostloses Dasein fristet und wen sie mit ihrer verstaubten Weltanschauung langweilt – oder eben auch nicht.“
„Das höre ich wirklich gern!“, schmunzelte Martin. „Und zwar nicht nur deshalb, weil sie mich nicht leiden konnte, sondern weil das heißt, dass ein Mensch tatsächlich dazu in der Lage ist, sich von seinem krank machenden Umfeld zu lösen, wenn er das will. Das ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Therapie, das gibt mir Kraft, mich heute erneut ans Werk zu machen.“
„Toller Bogen!“ Martha klopfte ihrem Mann gönnerhaft auf die Schulter und trat dann schweigend in den Gang. „Ich hingegen bin froh, wenn dieser Tag vorbei ist!“, seufzte sie etwas verzögert und wünschte sich währenddessen, sie befänden sich schon wieder auf dem Heimweg.
Auf der Arbeit passierte glücklicherweise nicht allzu viel. Beide Psychologen konnten ohne größere Behinderung ihren Aufgaben nachgehen und Martha gelang es sogar, den Großteil ihres Vortrages vorzubereiten. Das war auch gut so, denn der erste Termin dafür sollte bereits am kommenden Mittwoch stattfinden.
Sie hatte diesen so zeitnah wie möglich gelegt, weil ihr klar geworden war, dass sämtliche Teilnehmer dieser Veranstaltung danach noch mit allen Fragebögen ihres Konzepts arbeiten mussten. Sprich: Je später sie mit der Schulung begann, desto länger musste sie in diesem Haus bleiben.
Aus diesem Grund hoffte die Psychologin, dass sich viele Kollegen, trotz der Kurzfristigkeit, für den ersten Termin anmelden würden. Sie hatte diesen extra auf das Ende des Arbeitstages, zwischen 16 und 17 Uhr gelegt, da man dann nicht so viel verschieben musste. Jedenfalls war das ihre ursprüngliche Idee dabei gewesen, ein Anruf des vollkommen unmotivierten Herrn Apfelbäumchens hatte sie schnell eines Besseren belehrt, denn dieser hatte ihr erklärt, wie dämlich diese Tageszeit für interne Vorträge sei, weil da nämlich alle berufstätigen Klienten ins Haus kämen und das seien nun mal die meisten.
„Ja, und Sie sind das auch!“, hatte Martha aufgrund ihrer Müdigkeit genauso desinteressiert erwidert. „Ich kann Ihnen zuliebe aber auch gerne noch einen dritten Termin zur Erläuterung meines Konzepts festlegen. Wie wäre am kommenden Donnerstag um 7 Uhr morgens oder um 19 Uhr abends, da sollte es dann auch ohne den Einwand Ihrer Klienten möglich sein, oder? Oder wissen Sie was: Sie lassen das mit dem Verschieben der Gespräche einfach Ihre wundervolle Sekretärin für Sie klären und dann diskutieren wir, bei unserem Treffen am Mittwoch, wie ich meine Arbeit besser machen kann. Es freut mich auf jeden Fall sehr zu hören, dass Sie schon wieder vollkommen gesund und munter sind, dann kommt Ihnen bei unserer nächsten Verabredung sicher nichts mehr dazwischen …“, hakte sie noch vollkommen ernst nach.
„N-n-nein, sicher nicht!“, war alles, was der arrogante Psychiater daraufhin noch erwidern konnte, dann musste er leider auflegen, weil er etwas ganz Wichtiges zu tun hatte.
Martha selbst hatte sich einen kurzen Moment lang über diesen kleinen, persönlichen Sieg gefreut und sich danach wieder ihren Zetteln zugewandt. Sie hatte tatsächlich endlich damit angefangen, Erklärungen zu den jeweiligen Bögen zu verfassen, die Gründe für ihre vielen Fragen zu erläutern. Sie schilderte Schlüsse, die man aus den verschiedenen Antworten ziehen konnte und notierte diese auf gesonderten Blättern, die sie abtippen und als Handout an die Kollegen verteilen wollte. Und zwar an alle, auch an diejenigen, die bereits die Phase der Selbstreflexion hinter sich hatten. Diese Vorarbeit würde all ihre zukünftigen Gespräche erleichtern, und darum ging es: Um mehr Effizienz bei ihrem Tun!
Am Abend saßen Martha und Martin in einem Thai-Restaurant bei sich um die Ecke, tranken original thailändisches Bier und philosophierten über die Schlüsselübergabe, die am am nächsten Tag um zehn Uhr morgens stattfinden sollte. Die Maklerin hatte leider schon zu viele Freitagstermine vereinbart gehabt, um die kurze Formalität noch in ihren Tagesablauf einzubauen. Da Martin wusste, dass seine Frau sowieso zu müde war, um ihr neues Haus gebührend mit ihm zu feiern, hatte er nicht versucht, sie vom Gegenteil zu überzeugen.
„Wir werden morgen früh dorthin fahren, noch einmal alles genau begutachten und uns danach in den nächstgelegenen Einrichtungsladen begeben, um uns dort ein Bild über die aktuelle Möbelkollektion zu verschaffen. Ich weiß, dass du auf alt und ehrwürdig stehst, aber ein gründlicher Blick auf das Neue schadet doch auch nicht, oder? Wir können uns auch dazu eine Geschichte einfallen lassen, wenn dir das so wichtig ist.
Ich möchte so bald wie möglich in unserem Haus in einem gemütlichen, großen Bett, auf einer rückengerechten Matratze neben dir einschlafen und aufwachen. Und wenn wir schon dort übernachten, wäre es auch gut, wenn wir ein paar Schränke und Schubladen zum Verstauen unserer Kleider und Schuhe hätten.“
Martha schmunzelte verschmitzt, als sie die Ungeduld in Martins Stimme hörte und gab ihm entsprechend gerne Recht. „Gut, wir werden uns dort umsehen und wenn wir etwas Schönes finden, kaufen wir es. Davor solltest du dir allerdings auch noch mal überlegen, was du mit deinen alten Möbeln machen willst. Ich will meine mitnehmen, so viel ist sicher!“
„Gut, dann beauftragen wir morgen früh das Umzugsunternehmen, damit es deine Sachen nächste Woche dorthin liefert. Wir können sie auf Freitag Nachmittag terminieren, dann kannst du am Wochenende anfangen, deine Bücher in die Regale zu räumen.“
„Das klingt wunderbar!“ Die Psychologin spürte, wie ihre müden Lebensgeister von Neuem erwachten. Die Aussicht auf die neue, traumhaft schöne Beschäftigung, gefiel ihr. Es war so viel befriedigender, einer körperlichen, klar definierten Aufgabe nachzugehen, als ständig nur mit dem Kopf irgendwelche halbgaren Pläne zu schmieden und danach stundenlang darüber zu diskutieren.
„Das habe ich selbst in der Hand, wohingegen eine Änderung im menschlichen Verhalten von jedem selbst ausgehen muss“, erklärte sich Martha die neu aufkeimende Energie. Ihr Mann legte den Kopf schief und musterte sie misstrauisch:
„Mal wieder so eine lehrreiche Einlage, mit der ich nichts anfangen kann, meine Liebe. Aber das macht nichts, heute sehe ich dir deine wirren Assoziationsketten nach, du bist müde.“
„Ach, so wirr sind die gar nicht. Ich habe mich lediglich gefragt, wieso mich die Aussicht auf den Umzug und die Arbeit, die damit verbunden ist, nicht noch mehr ermüdet, sondern in aufgeregte Vorfreude versetzt. Und das war meine Erklärung dafür. Gut, oder?“
„Ja, schon, aber …“ Martin kratzte sich am Kopf, dann grinste er auf einmal so breit und voller echter Freude, dass Martha nicht einmal seinem Blick folgen musste, um zu wissen, dass gerade ihr Essen im Anmarsch war.
Die Vorspeise, eine scharfe Hühnersuppe, hatten sie bereits eingenommen, nun kam der sehr ästhetisch angerichtete Basa-Fisch mit exotischen Früchten und Thai-Gemüse an die Reihe. Eine spannende Mischung, auf die sie sich im Vorfeld, bei der Bestellung des Menüs für zwei Personen, schnell geeinigt hatten.
Als die Platte vor ihnen aufgetischt wurde, weiteten sich Marthas Augen ungläubig: „Wow! Ich wusste gar nicht, dass man bei uns um die Ecke so was Feines zu essen bekommt!“
„Wusste ich auch nicht, um ehrlich zu sein. Ich habe vorhin nur kurz im Internet nachgesehen, was von uns aus fußläufig zu erreichen ist und dabei dieses Restaurant entdeckt. Es hatte ganz gute Bewertungen und das sieht ja wirklich sehr lecker aus!“
Das Paar genoss ihr Essen und den entspannten Abend in dem kleinen Restaurant. Sie waren sich sicher, dass sie auch nach ihrem Umzug noch öfters dort vorbeikommen würden, denn einen so guten, original kochenden Asiaten, fand man in Braunschweig sicher kein zweites Mal.
Nach dem feinen Drei-Gänge-Menü spazierten sie Hand in Hand so lange durch die Straßen ihres Noch-Wohnviertels, bis Martha vor Kälte zitterte. Sie erzählte dabei ihrem Mann die Geschichte von der Bekanntschaft mit dem Obdachlosen, die sie bei ihrer ersten Reise an den, für sie damals noch vollkommen fremden Teil Braunschweigs, gemacht hatte. Damals kam sie hier hin, um von Martin die, von ihr geklauten Liebesunterlagen zurückfordern.
Das alles erschien ihr auf einmal unglaublich weit weg, dabei war es gerade mal ein halbes Jahr her.
„Kaum zu glauben, dass du in der Zwischenzeit mein Mann bist und wir bald in unser eigenes Haus ziehen werden. Für so große Veränderungen brauchen andere Jahre …“
„Und damit wären wir wieder bei deiner Feststellung von vorhin: Die Menschen verändern sich so schnell wie sie selbst es wollen. Du bist eine wache, lebensfrohe Person, deshalb nutzt du jeden feinen Funken Hoffnung als Motivation für ein neues Projekt, dasselbe gilt anscheinend für mich, auch wenn mir das bislang nicht klar war.
Es gibt also keine allgemeingültige Regel: Jeder Mensch bewegt sich so schnell und weit in seinem Leben voran, wie er das will. Währenddessen macht er das, was er am besten kann oder ihm am meisten Freude bereitet. Und jeder entscheidet selbst, um was es sich dabei handelt und ob er außer dem noch etwas anderes lernen und erleben will.“