‚NatAlina Metternich’s eintagsfliegen

kopf_taschenWer Frau Mauz‘ eintagsfliegen Volume 1.S. kennt auch schon Alina und Natascha, zwei sehr unterschiedliche Frauen und Freundinnen Mitte Dreißig.
Um diese beiden Charaktere dreht sich die eintagsfliegenreihe ‚NatAlina Metternich‚. Den Nachnamen verdanken sie Michael Metternich, dem dritten Freund in diesem Bunde.

In diesem Artikel wird künftig immer die eintagsfliege zu finden sein, die von Frau Mauz zuletzt überarbeitet wurde …

Im Affekt

„Mann tötet Ehefrau während eines Streits im Affekt: Herr M. stach seiner Gattin mehrfach in den Bauch, nachdem sie ihn zuvor immer wieder als unfähigen Vollidioten mit Alkoholproblem bezeichnet hatte.
Nachdem er sich Ewigkeiten nicht gegen die Beschimpfungen seiner Frau gewehrt hatte, sei ihm das Messer in seiner Hand einfach irgendwann doch noch ausgerutscht. Zuvor habe er eine ganze Weile versucht, trotz ihrer durchgängig nervenden Quitschestimme weiter das Abendessen für sich und sie zuzubereiten, als er es nicht mehr ertragen konnte, sei er mit dem Gemüsemesser auf sie losgegangen …“

Natascha las ihrer Topfpflanze die Anzeige aus dem Düsseldorfer Wochenblatt vor und zog sie bereits währenddessen durch ihre Art, die Sätze zu betonen, ins Lächerliche, dann hielt sie inne und zerknüllte das Papier. „So einen Schwachsinn habe ich schon ewig nicht mehr gehört:Wie bitte schön ist es möglich, nach einer so langen Zeitspanne des Zuhörens im Affekt zu handeln? Er hat sich ihr Gekeife Ewigkeiten gefallen lassen, dann ist das doch kein Affekt mehr! Im Affekt bedeutet, dass man keine Zeit hatte, sich der Konsequenzen einer Handlung bewusst zu werden. Man handelt spontan, vollkommen ohne Hirn!“
Die Pflanze schwieg, starrte weiterhin aus dem Fenster und tat so, als wäre Natascha gar nicht da.
„Weißt du, wie gerne ich Alina im Affekt den Hals umgedreht hätte, als sie mir erklärte, dass sie mich absichtlich mit Frank zusammen gebracht hat, damit ich ihre Party nicht sprenge? Ich war kurz davor, sie zu erwürgen, aber ich habe es nicht getan, obwohl ich stinksauer und zutiefst verletzt war … Dieser Mann hier wusste schon wesentlich länger als ich, wie schrecklich nervig seine Frau ist und was sie von ihm hält, trotzdem wollte er angeblich noch für sie beide ein Essen zubereiten, daran glaube ich nicht! – Ich meine, ich habe mich auch nicht mehr bei Frank gemeldet, nachdem mir Alina ihr Verbrechen gebeichtet hat und das obwohl er mehrfach bei mir anrief. Ich lasse mir so etwas nicht gefallen! Und wieso dieser Mann sich angeblich von seiner Ehefrau solch einen Terror gefallen ließ, verstehe ich auch nicht. Ich glaube nicht, dass sie ihn beschimpft hat. Ich glaube auch nicht, dass er sie im Affekt getötet hat. Ich glaube, dass er sie loswerden wollte und diese Geschichte nur deshalb erfunden hat, damit er nicht so hart bestraft wird – im Affekt, dass ich nicht lache!“
Natascha tat so, als würde sie tatsächlich lachen, aber mehr als ein verbittertes Gackern bekam sie nicht heraus. – Nein, sie wollte nicht mit ihrer Pflanze über solche Themen diskutieren, aber wer blieb ihr denn noch? Alina hatte sie verraten, Michael reiste quer durch die Welt und schickte ihr ab und zu einen blöden Begriff, um sie bei Laune zu halten und Frank war ein unglaublich mieser Machomann, der nichts Besseres zu tun hatte, als wildfremden Frauen unberechtigt Hoffnungen zu machen. Das war doch zum Kotzen! Und über ihre Mutter und ihre restliche Verwandtschaft wollte Natascha nicht einmal mehr nachdenken, die waren einfach nur zum Kotzen! Sie konnte ihnen nichts recht machen, egal, was sie versuchte.

Während sie über ihr trauriges Leben sinnierte, klingelte Nataschas Handy. Sie griff danach und drückte auf die grüne Hörertaste. Ohne auf die Nummer des Anrufers zu achten, blökte sie ein aggressives: „Ja, was gibt’s?“ in den Lautsprecher und wartete auf Antwort.
„Hallo Natascha? Das ist ja schön, dass du endlich ans Telefon gehst. Hier ist Frank. Ich muss unbedingt mit dir reden!“ Einen Moment war sie versucht, sofort wieder aufzulegen, aber wieso sollte sie?! Endlich konnte sie ihn anschreien und ihm all die Sachen an den Kopf werfen, die sie sich in den letzten Wochen immer wieder gedacht hatte …
Während Natascha für ihre Hassrede noch einmal tief Luft holte, sprach der Mann am anderen Ende weiter: „Alina hat mir gebeichtet, welchen Schwachsinn sie dir erzählt hat. Das stimmt alles gar nicht, sie ist doch nur eifersüchtig auf dich und mich!“
Natascha zögerte. Wieso sollte sie ausgerechnet diesem fremden Menschen trauen? Alle anderen, die sie zu kennen glaubte, hatten sie auch getäuscht! – Vielleicht gerade deshalb!, flüsterte ihr die eigene, innere Stimme zu. Vielleicht ist er anders!
„Können wir uns treffen? Ich will das klären!“
Natascha schwankte. Es klang so, als wäre Frank das wirklich wichtig … „Okay, dann aber sofort!“
Am anderen war ein überraschtes Lachen zu hören, dann eine kurze Pause. „Gut, ich komme zu dir. Ich brauche zwanzig Minuten, dann bin ich da!“

 

cropped-eintagsfliegens1_backcover_cover_600.png

 

Werbung

Die 171. eintagsfliege: „Erdlinge“

Mischpult_smallWährend die Erdlinge Weihnachten feiern, sitzt Sabine Mauz an den eintagsfliegengeschichten und überarbeitet diese nach Lust und Laune.
Nach längerem Suchen fand sie eine, die sich um ihre Kunstfigur Frau Mauz dreht.
Fühlt sich zwar seltsam an, diese hier zu veröffentlichen, aber irgendwie ist es auch Zeit dafür, einmal Frau Mauz‘ Sicht auf die Welt und ihre Mitmenschen zu schildern …

Erdlinge

Lieber Herr Maurermeister,

es tut mir leid, wenn ich Sie noch einmal belästigen muss, aber ich kann das Ende unseres Gesprächs einfach nicht so stehen lassen. Es schwirrt mir immer noch im Kopf herum, obwohl ich bereits mehrere Tage und Nächte darüber nachgedacht und geschlafen habe:

Wissen Sie, es ist nicht nur schwer für Sie, mich zu verstehen, sondern auch umgekehrt. Ich verstehe nicht, wieso Sie mir diese dummen Fragen stellen mussten, obwohl die Antworten doch so offensichtlich waren: Wer bitteschön soll die Bine_Maus denn sonst sein, wenn nicht ich?
Und wenn Sie bereits zu dieser sehr naheliegenden Erkenntnis gekommen waren, hätten Sie sich doch auch denken können, dass ich mit meiner Geschichte über dieses seltsame Wesen versucht habe, diesem den Schrecken zu nehmen.

19-Frau_Mauz_Eine_LiebesgeschichteWarum müssen Erdlinge einander immer wieder verletzen? Das verstehe ich nicht! Ich habe Sie doch auch nicht gefragt, ob Ihr Nachname etwas mit Ihrer Persönlichkeit zu tun hat. Das sehe ich auch so! Witzigerweise tragen Sie diesen wahrscheinlich schon seit Ihrer Geburt und haben sich in all den Jahren nie gefragt, was dieser mit Ihnen und Ihrem Charakter zu tun hat.
Im Gegensatz zu Ihnen habe ich mich eben mit meinem ursprünglichen Namen auseinander gesetzt und ihn dann so abgewandelt, wie es meiner Meinung nach Sinn machte. Vielleicht sollten Sie, Herr Maurermeister, das auch mal tun, dann können wir uns bei Gelegenheit ein weiteres Mal treffen und schauen, ob wir uns so besser verständigen können.
Denn: Hätten Sie mir die richtigen Fragen gestellt und dadurch mein Vertrauen gewonnen, hätte ich auch irgendwann mit Ihnen gesprochen.

Wahrscheinlich ist Ihnen das vollkommen egal, schließlich ist es Ihr Beruf, Erdlinge zu interviewen und nicht Bine Mäuse. Ich vermute mal, dass Sie das im Normalfall auch ganz gut hinbekommen, denn die meisten Menschen merken es ja nicht, wenn Sie ihnen Salz in die Wunden streuen, sie kennen ihre Wunden genauso wenig wie Sie.

Herr Maurermeister, ich wollte Sie mit meinem Weinen wirklich nicht in Verlegenheit bringen. Es überkam mich einfach so, weil Sie mich so unsensibel auf meine Schwächen angesprochen haben …

Frau Mauz hob den Blick von dem Heft, in das sie gerade schrieb und blickte in die Ferne – im Grunde genommen war es ganz egal, was sie diesem fremden Mann schrieb, denn er würde ihren Brief sowieso nie bekommen. Sie wollte einfach nur die vielen Gefühle loswerden, die sie seit der Begegnung mit ihm plagten. Er war so ein Rüpel … und zugleich unglaublich aufmerksam.
Er hatte durchaus bemerkt, dass er sie mit seinen Fragen getroffen hatte, sonst hätte er sich auf eine andere Weise von ihr verabschiedet. Er hatte ihr sogar vorgeschlagen, ihm zu schreiben, weil er von ihrer Sprachlosigkeit überfordert war – oder täuschte sie sich nur mal wieder in einem anderen Menschen? War dieser Mann auch nur ein Produkt ihrer Fantasie, für das sein Äußeres die Hülle bildete?

Freisingzwerg_2Frau Mauz‘ Augen glitten zurück auf das Papier. Sie fühlte sich lächerlich, weil sie so viele Gedanken an einen Menschen verschwendete, der aus purem Zufall vor ihrer Wohnung aufgetaucht war – weil er ihren Blog im Internet entdeckt hatte und wissen wollte, wer hinter dieser fragwürdigen Frau Mauz steckte. So hatte Herr Maurermeister sein Klingeln und die Bitte um das Interview mit ihr auf jeden Fall gerechtfertigt.
Ich hätte mich nicht darauf einlassen sollen, folgerte Frau Mauz nun und fuhr mit ihrem Schreibstift kreuz und quer über das benutzte Papier: Ein Mann, den sie nicht kannte, der womöglich sogar ein unberechenbarer Stalker war, war es nicht wert, von ihr beachtet zu werden. – Hätte er wirklich Interesse an mir und meiner Person, hätte er sich mehr bemüht, mich kennenzulernen!
Kurzentschlossen fixierte Frau Mauz mit der linken Hand das beschriftete Blatt an der Innenkante des Heftes und riss es so sauber wie möglich aus dem Heft. Danach zerteilte sie es in viele, kleine Stücke und warf diese in den Müll …

frau_mauz_mic_flower_big

Rosa von Thelen

Der Fortschritt ihrer Geschichten wurde hier bislang kaum beachtet, deshalb bekommt Rosa von Thelen nun noch mal einen neuen Blogeintrag:

Frau Mauz hat es geschafft und sämtliche eintagsfliegen dieses Charakters überarbeitet – sie wurden zwar nicht zehn mal korrigiert, aber immerhin einmal und das gründlich. Das heißt, man kann nun die ganze Rosareihe lesen, WENN man Spaß daran hat.
Momentan befinden sich sowohl die einzelnen Geschichten, als auch die ganze Sammlung als .pdfs auf Rosas Seite. Das wird sich sicher bald ändern.

MERRY CHRISTMAS!

cropped-eintagsfliegens1_backcover_cover_600.png

Die 205. eintagsfliege: „Minutenweise“

Happy_family?Die folgende Geschichte ist eine der letzten von Frau Mauz‘ eintagsfliegen.
Sie handelt von der Ergotherapeutin Hannah Hermann, die unter anderem auch in der „Denkfehlerkette“ auftaucht.
Hier und heute befasst sie sich ganz privat mit ihren eigenen Sorgen und Grenzen …

Minutenweise

Ich reise durch die Welt – minutenweise,
stelle mich vor die Bahn,
direkt auf die Gleise.
Vergesse in meinem Wahn,
wem ich dadurch was entreiße …

Hannah Hermann schlug den Gedichtband des unbekannten Autoren zu. Sie hatte den Mann namens Alex Adieu auf der Bahnfahrt von Thorben zurück nach Hause, zu ihren Eltern, kennengelernt. Er hatte ihr sein Werk zum Abschied geschenkt und sie hatte es, geehrt lächelnd dankend angenommen. Das ist echt sch…, dachte sie und grinste schief, als ihr klar wurde, dass sich ihr Urteil auf das schlechte Gedicht des selbstmordgefährdeten Bubis reimte.

Ich bin diese zwanghafte, kranke Geisteshaltung, anderen immer und überall helfen zu wollen, anscheinend endgültig los. Das ist doch toll!, lobte sich Hannah selbst und steckte das frisch gedruckte Werk in den Mülleimer neben ihrem Schreibtisch. Aber was ist, wenn jemand mit meinen Geschichten genauso umgeht? Wenn er sie genauso schrecklich findet wie ich die von diesem Alex?
Ein Schreck durchzuckte ihren Körper, ließ ihre Hand ganz automatisch in Richtung Papiereimer wandern, dann schüttelte sie energisch den Kopf: Es wird ganz gewiss viele Menschen geben, die meine Texte genauso behandeln, das kann ich nicht ändern! Alex gab sein Bestes und für mich war es nicht gut genug. Ich gab wiederum mein Bestes, das für viele, fachlich versierte und literarisch Interessierte auch nicht gut genug sein wird.
Ich schreibe Alltagsgeschichten für Alltagsmenschen – Momentaufnahmen -, deshalb heißen sie so. Und natürlich werde ich damit nicht die Ansprüche hoch intellektueller Literaturwissenschaftler befriedigen.
Ich bin nicht dumm, aber eben auch nicht hochbegabt. Ich kann gewisse Gedankengänge anderer Personen nachvollziehen, aber ganz bestimmt nicht alle. Es dauerte lange, bis ich mir das eingestehen konnte – wer befasst sich schon gerne mit den Grenzen seines Geistes -, aber in der Zwischenzeit bekomme ich es hin …

Hannah fiel in diesem Zusammenhang wieder ihr nächtliches Liebeswerk ein, das sie vor zwei Tagen verfasst hatte. Sie seuftze wehmütig – ja, es gab noch andere Grenzen, mit denen man sich nicht gerne konfrontierte, die sich aber dennoch nicht vermeiden ließen.
Der nahezu fremde Alex-Künstler hatte sich wahrscheinlich genauso dumm und hoffnungslos in sie verliebt, wie Hannah in den desinteressierten Sebastianmann. Auch sie hatte ihm eine Ausgabe ihres ersten, eigenen Werkes geschickt, das er wahrscheinlich ähnlich lieblos entsorgt hatte wie Hannah gerade das ihres Verehrers.
Tja, so ist das Leben nun mal: Man bekommt nie das, wovon man träumt. Wahrscheinlich deshalb, weil wir auf diese Weise weiterhin sehnsuchtsvolle Geschichten für andere Menschen schreiben und mit diesen deren Leid teilen können. – So findet mein Mitleid also einen neuen Platz, wo ich ihm freien Lauf lassen kann, überlegte Hannah und grinste selbstironisch.
Trotzdem wünsche ich mir, dass eines Tages doch noch ein Wunder geschieht und zwei Seelen, die sich nacheinander sehnen und sich gegenseitig erkennen zum richtigen Zeitpunkt aufeinander treffen. – Wie war das bei Paulo Coelhos „Brida“ noch mal? Hatte er in diesem Roman nicht von mehreren platonischen Hälften gesprochen, die zueinander finden konnten? Selbst wenn Sebastian eine davon war und nichts davon wusste, gab es nach wie vor Hoffnung, eine weitere zu finden. Es würde eben nur noch länger dauern …
Ich brauche also nur etwas mehr Geduld, beschloss Hannah seufzend und versuchte Kraft aus diesem Gedanken zu gewinnen. Vielleicht sollte ich mir zur Überbrückung dieser emotionalen Dürreperiode einfach „Brida“ und „der Alchemist“ ein weiteres Mal zu Gemüte führen. Und: „Siddharta“, und: „Die Kunst des Liebens“, und: „Vom Haben zum Sein“, und: „Die Kunst des Bogenschießens“, und … – ihr fiel nichts mehr ein, aber würde sie darüber nachde…- „Ich bin viele!“, füllte ihr Hirn die kleine Lücke. – Aber das liegt in der alten Wohnung …, dann muss ich dort wohl bald wieder hin … Und vielleicht dieses Mal, wenn Thorben dort ist. Wir haben leider doch noch einiges zu klären … Sie stöhnte laut auf, aber ja: wahrscheinlich habe ich wirklich erst eine Chance auf eine neue Liebe, wenn die alte Geschichte endgültig abgeschlossen ist …!