Erst gab es die Bilder, danach folgten die Geschichten. Ein paar Impressionen aus dem Kurzgeschichtenheft: Frau Mauz‘ eintagsfliegen, Volume 1.S:
Erst gab es die Bilder, danach folgten die Geschichten. Ein paar Impressionen aus dem Kurzgeschichtenheft: Frau Mauz‘ eintagsfliegen, Volume 1.S:
Sie war schon mal online, als Teil von Frau Mauz‘ Programm. Da dieses hier nun nicht mehr einsehbar ist, gibt es wenigstens wieder die Geschichte aus Sabine Mauz‘ Erstlingswerk: Endlich rund …
April 2010
Die Taube
„Mistvieh!“, „Abschaum!“, „Kusch!“, „Igitt!“, „Verschwinde!“ – ich habe viele Namen, die sich in ihrer Abscheulichkeit übertreffen, suchen Sie sich einen aus. Ich höre auf alle.
Es gibt Gerüchte, dass es irgendwann anders war: Besser, schöner. Damals bekamen wir noch Aufgaben von den Menschen und wurden von ihnen geschätzt, aber das ist lange her. Viel zu lange, als dass sich eine von uns daran erinnern könnte, jetzt wollen uns nur noch alle loswerden.
Neulich belauschte ich das Gespräch zweier Menschen. Ich tat so, als wäre ich auf Nahrungssuche, deshalb beachteten sie mich nicht. Ich weiß nicht mehr genau, worum es ging, aber das ist auch nicht wichtig. Das einzige, was für mich dabei zählte war ein Wort, das sie benutzten: Friedenstaube. Seit ich es gehört habe, geht es mir nicht mehr aus dem Kopf. Es klingt wunderschön …
Seit ich fliegen kann, bin ich auf der Suche nach einer Aufgabe. Ich meine, eine richtige, nicht allein die, zu überleben. Diese nimmt zwar viel Zeit in Anspruch, aber erfüllen kann sie mich nicht. Was nützt es zu leben, wenn dieses keinen Sinn macht?! So sehe ich das jedenfalls. Die anderen Tauben, mit denen ich darüber gesprochen habe, schauten mich verständnislos an. Sie waren auf der Jagd nach dem leckersten Imbiss des Tages, weiter reichte ihre Planung nicht.
Wohlgemerkt: Die meisten, nicht alle. Es gab ein paar Ältere unserer Art, die sich meine Überlegungen aufmerksam anhörten. Sie blinkten mit den Augen, gurrten aufgeregt und nickten mit ihren Köpfen. Und ich freute mich, weil ich jemanden gefunden hatte, der mich verstand. Aber es endete immer gleich: Sie wollten von mir die Lösung des Problems. Wenn ich eingestand, dass ich sie nicht kannte, sanken sie in sich zusammen. Das einzige, was sie danach sagten war: „Viel Glück bei der Suche! Komm wieder, wenn du die Antwort kennst.“
Ich versprach es, weil es mir leid tat, sie so gebrochen zu sehen. Es war das einzige, was ich für sie tun konnte.
In den letzten Monaten hatte ich auch bei mir Anzeichen dafür bemerkt, dass ich die Hoffnung verlor. Ich wurde immer lustloser, futterte alles in mich hinein und suchte nur noch halbherzig.
Aber jetzt, da ich von der Friedenstaube gehört habe, verspüre ich neuen Mut. Ich weiß zwar nicht, was genau ihre Aufgabe ist, aber das werde ich herausfinden. Hauptsache, ich habe ein Ziel …
Da Frau Mauz bald auf ihre NRW-Minitournee geht, wird heute hier der vorerst letzte Beitrag für die nächsten zwei Wochen veröffentlicht.
Ursprünglich sollte es eine Weihnachtsfliege werden, in der Hoffnung, dass sich dadurch eine neue, möglichst bezahlte Auftrittsmöglichkeit für Frau Mauz findet, aber Geld ist nicht alles, was zählt. Um genau zu sein, zählt es gar nichts. – Ich wünschte, wir müssten nicht davon leben …
Die folgende Geschichte stammt mal wieder aus dem unfertigen Buchkonzept „Endlich rund …„:
12.2.2010
Kurzgeschichte:
Wie ein weißes Blatt Papier
Mein Herz pochte. Ich schämte mich, weil ich nach Schweiß stank.
Ob er es auch roch? Das hätte den Vorteil, dass er von sich aus verschwinden würde …
Aber nein: Er saß mir strahlend und erwartungsvoll gegenüber. Seine Finger tanzten auf dem Tisch und machten Anstalten, zu meiner Hand zu wandern. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, sie wieder auf meiner Haut zu spüren.
„Du hast es doch gemacht!“, platzte es aus mir heraus.
„Was denn?“ Sein Lächeln wurde verkrampfter.
„Du hast dich in mich verliebt!“
„Das stimmt doch gar nicht!“ Er schaute auf seine Finger, die nun unruhig auf der Stelle trommelten.
„Ach komm schon, ich merk es doch!“
Er schwieg. Dann schaute er auf, direkt in meine Augen. Das versetzte mir einen Stich:
„Du hast Recht. Ich habe mich in dich verliebt. Na und? Du bist eine tolle Frau. Warum sollte ich mich nicht in dich verlieben? Gefühle kann man nicht steuern!“
Ich schluckte. Verdammt, woher kam bloß dieser Kloß in meiner Kehle? Ich nippte an meinem Kaffee:
„Doch, das kann man, glaub mir! – Du hast dich in eine Idee verliebt, in ein Traumbild von mir, von uns. Das geht nur, wenn man es zulässt.“
„Und was ist so schlimm daran? Du magst mich doch auch. Sonst wär das gestern nicht passiert.“
„Es würde nicht gut gehen!“
„Woher willst du das wissen?“
„Weil es immer so läuft.“
„Das stimmt doch nicht! Es gibt viele glückliche Paare. Partnerschaften, die ein Leben lang halten. Willst du aus Angst nie wieder eine Beziehung eingehen?“
„Ich will zumindest jetzt keine. Nicht, solange ich keine Schutzfolie gefunden habe!“
„Wie bitte? Was soll das denn sein?“
„Das verstehst du nicht. Es hängt mit meiner Vorstellung von Liebe zusammen.“ Ich malte mit meinen Fingern Kreise auf die Tischdecke.
„Dann erklär sie mir, noch einmal gehe ich sowieso nicht!“
Ich lächelte ihn traurig an: „Wart´s ab … : Nachdem Mark und ich getrennt waren fragte ich mich, weshalb es nicht geklappt hatte. Wir waren vernarrt ineinander. So kitschig es klingen mag: Ich konnte mir vorstellen, ihn zu heiraten. Aber irgendwann war aus unserer Liebe ein Machtkampf geworden, ein Ringen um Aufmerksamkeit und Anerkennung.
Das, was am Anfang selbstverständlich war, das Wohl des anderen, wurde von den eigenen Bedürfnissen überdeckt. Ich dachte nur noch an mich selbst, an das was ich wollte und fühlte mich missachtet, wenn er es mir nicht gab. Ihm ging es mit mir wahrscheinlich genauso.
Irgendwann fand ich ein Bild, das unsere Beziehung, aber auch die vieler anderer wiedergibt:
Am Anfang, wenn man sich kennenlernt, beginnt man eine gemeinsame Reise. Alles ist neu und unbelastet, wie ein weißes Blatt Papier. Ihm gefällt an ihr das Lächeln, ihre Art sich zu bewegen, ihr herzliches Wesen. Und sie mag seinen Humor, seine lachenden Augen und die Aufmerksamkeit, die er ihr schenkt.
Sie verlieben sich ineinander, färben das Papier gemeinsam ein, bemalen es mit Blümchen und Herzchen und all den Dingen, die ihnen aneinander gefallen. Weil sie sich kaum kennen und nicht gegenseitig verschrecken wollen, gehen sie ganz vorsichtig miteinander um. Sie stecken das Papier nach jedem Gebrauch in eine Schutzfolie, damit es nicht einreißt oder knickt.
Aber es ist unvermeidlich, dass man die Macken des anderen kennenlernt und es zu Missverständnissen kommt. Der Alltag hält Einzug und irgendwann wird es zu aufwändig, alles immer wieder in die Hülle zu stecken. Es beginnen die ersten kleinen Streitereien: Um die offene Packung Milch, die sie immer wieder in den Kühlschrank stellen muss. Um die Zeit, die er lieber mit Videospielen verbringt, statt mit ihr. Und ihn nerven ihre langweiligen Erzählungen von der Arbeit, die vielen Fragen und dass sie ständig in der Wohnung herumrennt und aufräumt.
Sie beginnen sich einander Vorwürfe zu machen und Dinge zu verschweigen. Sie keifen sich an, aber reden nie über das, was wirklich nicht stimmt. Über das, was sie wirklich gerne von dem anderen hätten.
Das bunte Papier bekommt Knicke und Risse. Man bügelt es immer wieder glatt und klebt kaputte Stellen, aber es bleiben Spuren zurück: Von Jahr zu Jahr werden es mehr Wunden und Vertrauensbrüche. Bis man an den Punkt kommt, wo es nicht mehr weiter geht. Dann steht man vor der Entscheidung: Entweder man reißt das Papier entzwei oder man versucht es mit einem Riesenpflaster zu versiegeln: Trennung oder Heirat. – Ich möchte beides nicht, zumindest nicht aus diesen Gründen.
Ich will einen Weg finden, das Papier dauerhaft zu schützen, aber ich weiß nicht wie. Ich will mich für mich allein und mit meinem Partner zusammen entwickeln. Ich will eine Beziehung, in der wir uns gegenseitig unterstützen und Mut machen. Es kann nicht sein, dass man auf Kosten des anderen Selbstbestätigung gewinnt!“
Ich war fertig, hatte all meinen Ängsten Luft gemacht. Meine Wangen glühten. – Was wollte ich damit erreichen? Wünschte ich mir, dass er ging oder dass er blieb? Wenn ich ehrlich zu mir war wollte ich, dass er mir meine Zweifel nahm. Wollte, dass er mir sagte, dass es zwischen uns nicht so laufen würde, dass das mit uns etwas ganz Besonderes sei …
„Das kann ich dir nicht versprechen!“
„Was?!“ Mein Herz plumpste auf den Boden.
„Dass es bei uns anders wird!“
Ich versuchte meine Enttäuschung zu verstecken und warf energisch meine Haare zurück: „Wusst ich`s doch!“
„Trotzdem gehe ich nicht. Wir müssen es probieren. Ich will mit dir kein einzelnes Blatt bemalen, sondern ein Buch füllen. Als ob bei dir eine Seite reichen würde!“
Er lächelte mich an: „Es gibt im Leben keine Sicherheit! Aber was ist eine Geschichte ohne Spannungsbogen?“
Er griff nach meiner Hand und löste meine verkrampften Finger von der Tischdecke, die ich komplett zerknüllt hatte: „Komm schon, sei mutig! Wir machen auf jeder Seite einen Vermerk, der uns daran erinnert, dass es die letzte werden könnte, wenn wir uns nicht anstrengen!“
Er schob meine Finger zwischen seine, dann stand er auf und zog mich zu sich. Widerstrebend folgte ich seiner stummen Aufforderung. Als ich bei ihm war, schlang er seine Arme um mich. Er strich eine Haarsträhne aus meinem Gesicht und raunte mir „lass los!“ ins Ohr.
Ich holte tief Luft, legte meinen Kopf an seine Schulter und auf einmal flossen die Tränen …
Beim Überarbeiten des Buches „Endlich rund …“ und auf der Suche nach einem passenden Text für den Auftritt beim Poetry Slam am 19.7.2015 in Düsseldorf, fand Frau Mauz eine Lehre des Lebens wieder, die aus ihrer Sicht nicht in Vergessenheit geraten sollte:
Es gibt Situationen, in denen man sein Bestes gibt und trotzdem scheitert …
14.2.2010
Hilflos
Ein lauter Knall erklang. Was war das? Was machte so viel Lärm? Ich stürmte die letzten Stufen der Kellertreppe nach oben. Und da lag er: Direkt vor der Türe, mit dem Kopf auf dem blauen Übertopf. Woran man sich im Nachhinein erinnert. Davor hatte ich dieses Ding nie beachtet, aber seit gestern hat sich die Farbe in mein Hirn gebrannt. – Und darauf sein Kopf: Die verwuschelten, weißen Haare, die braunen Augen, die noch kurz flackerten, bevor sie mich verließen und die Speichelblasen, die aus seinem Mund blubberten. Ich schrie ihn an: „Herr Schuster! Herr Schuster! Wachen Sie auf!“ Keine Reaktion. Hektisch zog ich das Telefon aus meiner Hosentasche: Wie war die Nummer vom Krankenwagen? Was musste ich sagen? Wie waren die W- Fragen? Hilfe!
Mit zitternden Fingern tippte ich. Es tutete zweimal, mehr passierte nicht. – Was hatte ich falsch gemacht? Ich wählte noch mal 112. Wieder nichts! Hieß es nicht, die seien immer erreichbar? Hilfe!!!
Konnte ich jemanden bitten, für mich anzurufen? Nein, ich war allein. – Ein Haus voller Menschen, aber keinem davon konnte ich diese Last aufbürden. Da fiel es mir ein: „0“ vorwählen, also noch ein Versuch. Endlich eine Stimme am anderen Ende. Ich nannte meinen Namen, die Adresse, beschrieb, was ich sah: Umgekippter Mann mit Speichelblasen, Kopf auf Topf, nicht ansprechbar. Während der Typ am anderen Ende stotternd nach dem Begriff „Epileptiker“ suchte, fuhr ich ihm über den Mund und erklärte ihm, dass so ein Leiden bei dem Betroffenen nicht bekannt sei. – Woher nahm ich nur die Wörter?
Während er mir mitteilte, dass er einen Wagen schicken würde, war ich schon wieder bei Herrn Schuster. Ich schüttelte ihn, schrie ihn an. Was konnte ich tun? Von der Türe wegziehen? Das ging nicht, er wog mindestens 150 kg. Und wieder: Warum war hier keiner, der mir helfen konnte? Warum ich?!
Der Topf musste weg, aber worauf sollte ich den Kopf dann lagern? – Kissen!
Im Türrahmen hinter mir stand Ute. Sie stand da, schaute, wisperte seinen Namen. Ich fragte sie nach einem Kissen, sie humpelte in ihr Zimmer. Ich hastete hinterher, sagte was von: „Musst du wahrscheinlich waschen“ und war wieder bei ihm. Ich schob die dämliche Pflanze weg und während sein schwerer Kopf, an der Glasscheibe der Türe nach unten rutschte, legte ich das Kissen darunter. Ich rüttelte wieder an ihm, rief seinen Namen. Susi kam die Treppe rauf, schlich an uns vorbei und stand dann still. Er wurde immer blauer. – Verlass mich nicht, tu mir das nicht an!
Oh mein Gott, wie sollte ich bei so viel Fett und in der verkrümmten Lage herausfinden, ob er atmete, einen Puls hatte?
Ich hob mein Ohr an seine Nase. Spürte nichts, hörte nichts, nur einen gurgelnden Laut aus seiner Kehle. Ich musste nichts fühlen; ich sah, dass sein Herz nicht arbeitete, dass er keinen Sauerstoff mehr im Körper hatte. Ich musste ihn wiederbeleben, aber wie? Konnte ich ihn doch bewegen? Definitiv nicht!
„Kann ich was machen?“ Susi stand immer noch da, aber sie konnte nichts tun. Sie war zu langsam, zu schwach, zu hilflos. Hilflos – das war ich auch: Wie bekam ich Luft in ihn rein? – Beatmen! Aber nicht am Mund, der war viel zu groß. Ich brauchte ein Tuch. Nicht, dass ich mir was einfing. Ich stürzte los, zu Ute ins Zimmer, die auf ihrem Bett saß.
„Hast du Taschentücher?“ Mein Blick hatte das Päckchen auf dem Tisch bereits erfasst, bevor sie meine Frage überhaupt verstanden hatte. Ich nahm es mit, rannte zurück, legte ein Tuch auf seine Nase und blies. Warum hatte ich nur das Gefühl, dass das alles nichts half? Der Sabber kam irgendwie doch in meinen Mund. Egal. Sein Gesicht wurde noch blauer. Wann kamen die endlich?! Aus reiner Verzweiflung versuchte ich, auf dem vielen Fett herumzudrücken, gab es aber direkt wieder auf. Ich hatte keinen Widerstand, keine Kraft, also blies ich wieder in seine Nase. Das Taschentuch war weg. Egal!
Es nutzte nichts, ich sah es. Aber es konnte, durfte nicht sein. „Herr Schuster!“ Meine Stimme überschlug sich. Ich fingerte in seinem Mund herum, auf der Suche nach Erbrochenem. Fand aber nur seine Zunge, die zwischen seinen Zähnen eingeklemmt war. Sie war total aufgeschwemmt. Ich zog und drückte, aber alles war starr.
Endlich erklang das „Tatütata“ in der Ferne. Wir mussten sie abfangen. Ich schickte Susi vor die Türe und unternahm einen letzten Versuch, ihn zu beatmen. Aus dem Augenwinkel sah ich Susi regungslos auf dem Gehweg stehen, hinter einem parkenden Auto versteckt. Das konnten die nicht sehen. Ich sprang auf, irgendwie über ihn und auf die Straße.
Sie hielten, es waren zwei Wagen. Ich erzählte was von „blau“, während sie ihre Geräte auspackten. In rasender Geschwindigkeit und dennoch Zeitlupentempo übernahmen sie.
Ich weiß nicht, wie Susi und ich vor ihnen ins Haus kamen. In Bruchstücken habe ich vor Augen, wie sie ihn zu Viert packten und in die Mitte des Flurs hievten, dann verschwand ich um die Ecke.
Ich ging in die Küche, spülte meinen Mund aus. Tigerte den Gang rauf und runter; bekam mit, wie sie auf ihm rumdrückten und einen Luftröhrenschnitt machten. Ich wusste, dass es nichts half, hoffte trotzdem.
Brigitte kam aus ihrem Zimmer, blieb stehen und fragte: „Der Schuster?!“ Ich nickte. „Ich schau nicht!“
„Besser ist das, geh auf dein Zimmer.“
Sie gehorchte, Susi im Schlepptau. Auch ich ging hinterher. Jetzt musste ich mich um die Lebenden kümmern. Ich fragte, ob alles okay sei. Sagte, wir könnten nur hoffen, beten, ihm unsere guten Gedanken schicken. Noch musste ich den Schein wahren, konnte dem Arzt das Urteil nicht vorwegnehmen. Ich drückte ihre Hände und ging zurück auf den Gang; musste schauen, wie weit sie waren.
Sie ließen sich Zeit. Ich wusste, was das bedeutete. Was konnte ich tun? Ich konnte nicht durch das Getümmel ins Büro gehen, also klickte ich mich durch das Telefon und schaute, ob die Nummer des Chefs gespeichert war. Ohne Erfolg. Ich rief in der Außenwohngruppe an und hinterließ meiner Kollegin eine Nachricht. Erzählte nicht, worum es ging, wollte nicht noch mehr Aufregung verbreiten.
Die nächste Bewohnerin kam aus ihrem Zimmer, ich schickte sie zurück: „Notfall, besser nicht schauen!“
Als ich zurückkam, packten die Rettungshelfer zusammen. Sie waren sehr langsam. Ich traute mich nicht, zu fragen. Sie bräuchten seinen Personalausweis. – Wo sollte ich den herbekommen? Hatte er wahrscheinlich bei sich, da er einkaufen war.
Sie wollten sein Zimmer sehen, damit sie ihn hinein legen konnten. – War er zu schwer für den Krankenwagen, das Krankenhausbett? Es war nur der Bruchteil einer Sekunde, der letzte Hoffnungsfunke, bis es mir wieder einfiel: Man durfte keine Toten im Krankenwagen transportieren.
Und da kam schon die Bestätigung: Sie bräuchten den Originalausweis, um den Totenschein auszustellen. Während ich in den Keller rannte, um in der Akte danach zu suchen, zogen sie ihn auf dem Flurvorleger in sein Zimmer.
Da Frau Mauz soooooooooo viele fiktive Freunde hat, gibt sie heute schon wieder ein paar Büchertipps.
Natürlich unterteilt nach Genres, da nicht jeder so vielfältige Interessen hat wie sie:
Belletristik:
Coelho, Paulo: „Elf Minuten“, „Der Zahir“
Hesse, Hermann: „Siddhartha“, „Unterm Rad“, „Der Steppenwolf“
Nadolny, Sten: „Die Entdeckung der Langsamkeit“
Williams, John: „Stoner“
Psychologie/ Philosophie:
Fromm, Erich: „Die Kunst des Liebens“, „Haben oder Sein“
Herrigel, Eugen: „Die Kunst des Bogenschießens“
Kreativität:
Edwards, Betty: „Garantiert zeichnen lernen“
Selbsthilfe / Selbstverständnis:
Egli, René: „Das LOL²A-Prinzip, oder Die Vollkommenheit der Welt„
Mauz, Sabine: „Selbsthelfer“ – ja, schon wieder …
Für alle, die es interessiert, wie sich der Schreibstil einer selbst ernannten Schriftstellerin im Laufe einiger Jahre verändert, hier Frau Mauz‘ erster, offizieller Beitrag zu einem Kurzgeschichtenwettbewerb als .pdf: Die Kerze.
Dieser Text stammt aus dem Jahr 2011. Das Thema lautete: „Katz und Maus“.
Zum Vergleich: Hier der Link zu dem Artikel mit den zwei späteren Wettbewerbsbeiträgen: Hannah Hermann.
Ein neuer Tag, eine neue kurze, ernste Geschichte: Die letzte eintagsfliege aus der Buchstabenreihe A …
ABSCHIED !
Rosa betrachtete den unschuldigen, leeren Zettel vor sich. Es handelte sich dabei um eine Seite ihres Lieblingsbriefpapiers: Auf einem zartrosafarbenen Hintergrund blühten verschieden große, rosafarbene Rosen.
So hätte ihr Leben sein sollen: Voller schöner Blumen, die sich alle nach ihr und ihren Träumen richteten. Aber so würde es nie werden, das hatte Rosa in den letzten Wochen Therapie bei Frau Dr. Werner gelernt: Nichts richtete sich nach ihr, noch nicht einmal ihr eigener Körper. Stattdessen schickte er ihr Träume, die ihr Angst machten und sie mit ihren Makeln konfrontierten.
Rosa sei nicht belastbar, würde sich in Prüfungssituationen immer wieder in sich selbst zurückziehen, aus Angst davor, zu scheitern. Deshalb sei sie damals in der Abiturphase krank geworden: Ihre Versagensängste verdeckten so lange und allumfassend Rosas Hoffnungen und positiven Gedanken, bis diese nichts mehr Schönes wahrnehme. Stattdessen verstärke sich in ihr immer mehr die Sorge, dass sie nicht mehr genügend Luft zum Atmen bekäme.
Jetzt, da Rosa das wusste, ging es ihr besser, denn endlich gab es einen echten Grund dafür, dass sie so war, wie sie war. Und es war weder die Schuld ihrer Eltern, noch die ihres Bruders oder ihre eigene: Sie war wie ein windschiefer Baum, der bei zu starkem Wind ins Schwanken geriet und umknickte. Aber das machte nichts, denn dafür gab es zum Glück bei den Menschen das soziale Hilfssystem, das Rosa und alle anderen Weichlinge auffing.
Eine Träne lief über die Wange der achtunddreißigjährigen Frau: Es wurde Zeit für sie, sich von dieser Welt zu trennen. Rosa wollte nicht mehr auf Kosten der Gesellschaft und ihrer Familie leben, für einen Neuanfang war es zu spät:
Sie war verrückt, für eine normale Arbeit, eine Ehe mit Kindern oder einen andere sinnvolle Aufgabe einfach nicht zu gebrauchen. Den einzig logischen Schluss, den man nach diesem Urteil ziehen konnte, war der, dass es Zeit dafür war, die eigenen Ängsten endgültig loszuwerden. Das bedeutete Abschied:
Von diesem Leben, ihrer Mutter, Frau Doktor Werner und Dominik.
Die Tabletten dafür hatte Rosa schon lange beisammen. Man hatte ihr im Laufe der Jahre genügend Schlafmedizin verschrieben, die Schachteln lagen in ihrer Nachttischschublade und warteten darauf, dass sie den Mut fand, diese einzunehmen.
Gleich würde Rosa die armen, runden Pillen von ihrem Leid erlösen, aber zuerst musste sie ihren Brief an die Hinterbleibenden verfassen. Sie griff mutig nach ihrem pinkfarbenen Filzstift und setzte dessen faserige Spitze in die Mitte der obersten Zeile.
In großen, geschwungenen Buchstaben schrieb Rosa: Mein Abschied!, dann wanderte ihre Hand in die nächste, unsichtbare Linie:
Ihr Lieben!
Es tut mir leid, dass ich mich auf diese Weise von euch verabschieden muss, aber zu allem anderen fehlt mir der Mut. Würde ich euch noch einmal treffen oder euch von meinen Plänen erzählen, könnte ich diese nicht mehr umsetzen. Und das möchte ich unbedingt!
Es ist schlimm genug, dass ihr mich und meine Lebensunfähigkeit so lange ertragen musstet, dass ich euch so viele Sorgen bereitet habe. Ich habe viel zu lange auf eure Kosten gelebt. Das hätte ich nicht tun dürfen!
Ich bin zu schwach und zu ängstlich für die hohen Anforderungen, die ihr und diese Gesellschaft an mich stellt. Ich kann sie nicht erfüllen und darunter leide ich mehr als ihr euch vorstellen könnt. Da ich meinen Körper nicht verlassen und mir auch keine dickere Haut überziehen kann, bleibt mir nur noch eins: Abschied!
Ich beende dieses Leben vorzeitig, in der Hoffnung, dass das nächste besser wird.
Ich liebe euch und hoffe, ihr versteht diese Entscheidung. Sie hat nichts mit euch zu tun. Ich bin sehr dankbar für alles, was ihr für eure verkorkste Tochter / Schwester/ Patientin getan habt!
Für die Zukunft wünsche ich euch alles Gute!
Eure Rosa von Thelen
Da Frau Mauz‘ erstes Buchprojekt „Endlich rund …“ momentan überarbeitet wird und deshalb hier zur Zeit nicht einsehbar ist, gibt es heute wenigstens eine kurze Geschichte daraus.
Es handelt sich dabei um eine Nacherzählung aus Sabine Mauz‘ früherem Leben und ist mal wieder ein wunderbares Beispiel für praktisch angewandte Gedankenfreiheit.
Wer genau mitliest, kann herausfinden, warum manche Menschen manchmal lieber schweigen …
24.4.2010
So nicht!
„Und, was sagen dir deine Gefühle, um mal ganz direkt zu sein?! Was anderes bringt bei dir ja eh nichts.“
Ich seufzte: „Wirfst du mir das immer noch vor?“
„Klar, das werd ich dir noch das ganze Jahr über vorwerfen. Damit hast du mich echt getroffen. Ich hatte mir so viel Mühe mit der Mail gegeben …“
Ich unterbrach ihn, bevor er weiter reden konnte: „Wenn wir uns noch so lange kennen.“
„Oh, ach so.“ Er schluckte.
Ich konnte förmlich hören, wie es in seinem Kopf ratterte. Wieder zu direkt für ihn, also versuchte ich meine Worte abzuschwächen:
„Ich meine ja nur: Wer weiß, was passiert. Ich mag dich, du bist nett. Wäre das anders, würde ich nicht mit dir telefonieren. Aber mehr kann ich dazu momentan nicht sagen.“
Er schwieg. Das war wieder nicht das, was er hören wollte. Ich war mir sicher, dass er bereits mehr Gefühle für mich hatte. Das „Ach-wie-süß“- Gesäusel eben am Telefon war Hinweis genug. Ich wusste, dass es nett gemeint war, aber er hatte mich damit verwirrt. Ich hatte keine Ahnung, wie ich damit umgehen sollte, also tat ich so, als hätte ich es nicht gehört.
Er räusperte sich: „Also: Was machst du am Wochenende?“
Stimmt, er war noch da. Ich rutschte tiefer unter meine Decke:
„Am Freitag bin ich bei meiner Freundin Tabea eingeladen. Wir wollen kochen und endlich mal wieder in Ruhe reden. Wir versuchen seit Monaten, uns zu treffen. Und am Samstag helfe ich meiner Kollegin. Und du?“
„Ich gehe morgen Abend wahrscheinlich das erste Mal zum DSA – Spielen. Du weißt schon, „Das Schwarze Auge“, von dem ich dir erzählt habe. Und dann …, am Samstag … weiß ich jetzt noch nicht, was ich dann mache. Am Sonntag bin ich zu guten Freunden eingeladen.“
„Sollte das mit Samstag ein versteckter Vorwurf sein?“, seufzte ich.
Er zögerte: „Vielleicht? Ein kleiner?“
„Ich hatte dir erzählt, welche Pläne ich habe. Und da das Wetter gut wird, bleibt es dabei.“
„Na toll. Das heißt, bei Regen hättest du mich getroffen?!“
„Nein, das heißt, dass wir im Garten arbeiten und dafür schönes Wetter sein muss. Ich habe meiner Kollegin schon vor Tagen zugesagt und ich stehe zu meinem Wort!“
„Schon gut! Hätte dich halt gern getroffen, aber das geht auch noch nächstes Wochenende.“
„Da muss ich arbeiten. Deshalb hatte ich überlegt, am Freitag zu dir zu fahren, denn da habe ich frei. Ich hatte mich schon fast dafür entschieden und wollte das nur noch mit dir abklären, aber dann kam die Einladung von Tabea dazwischen. Ich will sie unbedingt sehen, es geht ihr nicht so gut.“
„Echt? Du willst zu mir kommen? Dann kann ich dir die Stadt zeigen: Die alten Gebäude, die Burgen, den Rhein, die Wälder,… Wusstest du, dass Koblenz früher eine Festung war?“
Ich hörte ihn sprechen, aber die Wörter flossen an meinem Ohr vorbei. Das Gespräch hatte mich ermüdet. Woran lag es?
Unser erstes Telefonat war so lebendig, so witzig. Wir redeten bis 3 Uhr nachts. Schon beim zweiten Mal war ich nach einer halben Stunde total fertig. Da hatte ich es noch auf den anstrengenden Tag geschoben, aber heute … – bis eben war ich fit, bis er mir jeden Film aus seiner DVD – Sammlung vorlas.
Hatte ich zu hohe Ansprüche? Man konnte nicht immer über das Leben philosophieren …
„Hallo, bist du noch da?“
„Oh, entschuldige. Ich bin auf einmal so müde. Ich glaube, ich muss für heute Schluss machen.“
„Ok. Ich bekomme auch immer mehr Hunger.“
„Dann mach du dir was zu essen und ich hau mich aufs Ohr.“
„Schlaf gut und träum was Kuschliges.“
Ich fragte mich, ob das sein ernst war und sagte so neutral wie möglich: „Danke, das werd ich.“
„Das war neu, das habe ich dir noch nie gewünscht! Da muss ich mir bis zum nächsten Mal etwas anderes einfallen lassen.“ Seine Stimme überschlug sich fast vor Freude …
Hilfe, bitte nicht! Ich hatte es gerade so gut wie möglich ausgeblendet. Das wollte ich nicht: Ich wollte nicht mit so einem Mist beeindruckt werden!
Nein, er war noch nicht so weit. Schade, jetzt war es doch so gekommen, wie ich es in meiner Mail vorausgesagt hatte. Ich musste es so schnell wie möglich beenden, bevor es richtig anfing …
„Ich wünsch dir ein schönes Wochenende. Mal schauen, wer von uns morgen als erster die Guten-Morgen-SMS schreibt.“
Ich bestimmt nicht! Aber auch das konnte ich nicht sagen. Also schwieg ich einen Moment und überlegte mir eine nettere Antwort:
„Ich vermute du, da ich ausschlafen kann.“
Er seufzte: „Du hast es gut!“
„Ja, deshalb schreib bitte nicht zu früh. Werde von SMS nämlich immer geweckt.“
„Echt?! Nein, das geht mir nicht so. Das einzige, was mir passiert ist, dass ich das Vibrieren beim Posteingang mit meinem Wecker verwechsle. Und den drücke ich dann im Halbschlaf weiter …“
Haaallooo! Hatte ich nicht gerade versucht, das Gespräch zu beenden? Wie konnte man nur aus jedem Mist einen Vortrag machen!
Er schwieg, also noch einmal: „Du, ich muss jetzt echt ins Bett!“
„Ok, dann bis bald.“
„Ja, bis dann. Tschö.“
„Tschüssi.“
Endlich Ruhe!
Nein, das mit uns konnte wirklich nichts werden. Das musste ich nur noch ihm begreiflich machen …
Morgen!
Die Hitze macht es möglich: Bevor Frau Mauz überarbeitet ihre Geschichten und teilt diese mit ihren virtuellen Freunden.
Da Leonie und Caro hier bereits bekannt sind und diese Frau Mauz zur Zeit besonders am Herzen, gibt es heute eine weitere Fortsetzung der beiden.
Zwischen dieser und der letzten Folge ist einiges passiert, was vielleicht eines Tages in den Heften der Frau Mauz nachzulesen sein wird. Die Geschichte kann aber auch einfach für sich stehen und sprechen …
Meine Mama liebt mich!
Meine Mama liebt mich!, dachte Leonie glücklich, als sie von ihrer Mutter Caro einen dicken Gute-Nacht-Kuss auf die Stirn gedrückt bekam.
„Schlaf gut, mein Liebling!“, wünschte diese ihrer Tochter zum Abschied, steckte das Nachtlicht in die Steckdose und verließ dann leise den Raum. Leonie hörte ihr dabei zu. Sie genoss die sanften Schritten, den schweren Atem, das vorsichtige Verschließen der Türe …
Meine Mama liebt mich wirklich!
Leonies Herz pochte laut und aufgeregt, obwohl es für sie doch schon längst Zeit zum Schlafen war. Jedenfalls hatte dies ihre Mutter behauptet, obwohl es draußen noch hell war …
Hätte ich nur die Uhr schon richtig gelernt, schoss es der Siebenjährigen durch den Kopf. Irgendwie war ihr das Lesen der zwei Zeiger auf dem runden Ziffernblatt bis jetzt noch nicht so wichtig vorgekommen. Erst heute verstand sie den Sinn davon: Sie hatte das erste Mal in ihrem Leben das Gefühl, dass es noch gar nicht Schlafenszeit war. Sie wäre gerne noch eine Weile bei ihrer Mutter vor dem Fernseher sitzen geblieben.
Im Flur klingelte das Telefon. Leonie hörte die schnellen Schritte ihrer Mutter, die flüsternde Stimme, das Schließen der Wohnzimmertüre, dann war es wieder still.
Ob das die Mutter von Niklas und Caspar ist?
Leonies Mama hatte mit dieser seltsamen Frau doch nicht mehr telefoniert, obwohl sie es ihr beim Abschied versprochen hatte. Aber vielleicht hatte sie das nur deshalb nicht getan, weil sie Leonie beruhigen wollte? So, wie ihr die Mutter auf der Fahrt nach Hause immer wieder versichert hatte, wie gut sie es fände, dass Leonie sich gegen diese „kleinen Ganoven“ gewehrt hatte, sich nicht „einfach so“ von ihnen beklauen ließ … – Was hatte Niklas gesagt: Die Farbe von ihrer Mutter sei gelb? Caro sei ein Mensch, der sich gerne auf der Sonnenseite des Lebens bewege und anderen das Licht klaue …?
Mama klaut mir kein Licht! Leonie verschränkte in der einsamen Dunkelheit ihres Zimmers die Arme vor ihrer Brust: Meine Mama liebt mich!
Obwohl Leonie sich das nun schon die ganze Zeit einredete, konnte sie den bösen Abschied von Frau Jennifer Reichmann nicht vergessen:
Alles klang bei dieser Frau so, als sei Leonie schuld daran, dass sie mit ihrer liebsten Freundin Caro nicht in Ruhe Kaffee trinken konnte. Es klang so, als würde beim nächsten Mal alles besser werden, wenn Leonie nicht dabei war …
Zweifel nagten an dem Mädchen: Vielleicht hatte ihre Mama sie mit dem Lob nur angelogen und war in Wirklichkeit auch froh, wenn sie das nächste Mal ohne ihre Tochter zu Frau Reichmann gehen konnte …
Wenn Mama nur wüsste, was Niklas über sie gesagt hat. Das war bestimmt die Idee seiner Mutter …- Aber konnte das wirklich sein? Er hatte doch auch über seine eigene Mutter geschimpft und diese als blau bezeichnet. Sie sei wie ein verträumte Wolke …
Leonie hatte nicht verstanden, wieso Niklas die Menschen als Monster bezeichnete, aber sie hatte sehr wohl verstanden, dass der vierzehnjährige Junge einen guten Blick für die Eigenheiten der Erwachsenen und anderen Kinder hatte. Sein Urteil über Leonies Mutter klang nicht wirklich gut: Sie klaue anderen Menschen das Licht … – klaut mir meine Mama mein Licht …?
Die Frage tauchte unweigerlich in Leonies Kopf auf und das, obwohl sie sich diesen Zweifel den ganzen Tag nicht erlauben wollte.
Erst jetzt, da sie wusste, dass ihre Mutter hinter ihrem Rücken telefonierte und nicht wollte, dass sie es hörte … – Wahrscheinlich entschuldigte sie sich gerade für das Verhalten ihrer Tochter …
Mama hat nicht verstanden, worum es mir bei dem Streit ging. Sie hat zwar so getan, aber wieso ich unbedingt heim gehen wollte, hat sie nicht verstanden Sie dachte, das wollte ich nur wegen des geklauten Schokobonbons, dabei war das gar nicht der Grund …
Tatsächlich hatte Leonie diesen Vorfall nur als Ausrede benutzt. Eigentlich hatte das Mädchen bereits gehen wollen, bevor sie überhaupt dort waren. Die Geschichte mit den Monstern hatte es nicht besser gemacht.
Nein, ihr Wunsch war nicht zu erklären, jedenfalls nicht so leicht. – Und Mama will es sowieso nicht wissen. Sie will einfach nur, dass ich glücklich bin, so wie sie es immer wieder sagt …
Und weil Leonies Papa schon so wenig dafür tat, wollte wenigstens sie die Wünsche ihrer Tochter „respektieren“. – Was auch immer das heißen sollte …
Leonie schloss die Augen und versuchte, den blöden Tag zu vergessen …
Frau Mauz hat viele fiktive Freunde, mit denen sie immer wieder gerne in eine andere Welt abtaucht. Sie begleitet diese eine Weile auf deren Reise durch das Leben, lacht, liebt und leidet mit ihnen und verlässt sie wieder, wenn die Verfasser der Geschichten es von ihr verlangen.
Manchmal fällt es Frau Mauz schwer, ihre Freunde nach einem überstandenen Abenteur wieder gehen zu lassen. Sie hofft auf eine Fortsetzung, oft über Jahre hinweg.
Doch eines Tages ist es so weit:
Frau Mauz akzeptiert, dass es keine neuen Roman mehr geben wird.
Dies fällt ihr dann am leichtesten, wenn der Autor einen gelungenen Schluss für die Geschichte ihrer Freunde findet (Harry Potter, Gilmore Girls, Die Gilde der Schwarzen Magier, …) oder wenn sie feststellt, dass dieser seine Schützlinge nicht so sehr liebt wie Frau Mauz.
Unabhängig von diesem kurzen Ausflug in Frau Mauz‘ Seelenleben, gibt diese hier heute mal wieder ein paar Buchtipps für all diejenigen, die unter der Regungslosigkeit der Hitze genauso leiden wie sie, unterteilt nach der jeweiligen Interessenslage:
Unterhaltung/ Fiktion:
Louis Sachar: „Löcher“, „Kleine Schritte“, „Du bist ein Witz, Gary Boone!“
Walter Moers: „Die Stadt der träumenden Bücher“, „Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“
Paulo Coelho: „Der Alchemist“, „Veronika beschließt zu sterben“
Joan Fr. Casey: „Ich bin viele“
Kreativität/ Selbstverständnis:
Julia Cameron: „Der Weg des Künstlers“, „Den Weg des Künstlers weitergehen“
Keith Johnstone: „Improvisation und Theater“
Sabine Mauz: „Selbsthelfer“
Körperbewusstsein/ -training:
Moshé Feldenkrais: „Bewusstheit durch Bewegung“; „Das starke Selbst. Anleitung zur Spontaneität“
Therese Bertherat: „Der entspannte Körper : Schlüssel zu Vitalität, Gesundheit und Selbstbestimmung“