Endlich rund: Der gute Geist …

Es war einmal vor langer, langer Zeit, da kam Sabine Mauz diese Idee für eine Geschichte in den Sinn. Eigentlich sollte sie länger werden, aber es blieb bei dem kurzen Auszug.
Eine Eintagsfliege also, die trotzdem immer wieder Spaß und Mut macht, zumindest der Autorin selbst.
Sie befindet sich in dem ersten echten Buchprojekt von Sabine Mauz: Endlich rund …

Der gute Geist

Wer ich bin?

Ich habe keinen festen Namen. Heiße so, wie mich die Menschen nennen wollen. Für manche bin ich ein Zeichen oder Schicksal, für andere ein Engel oder ein guter Geist und für manche bin ich nicht vorhanden – Humbug.

Was ich mache?

Ich ziehe durch die Welt, sehe in die Seelen der Menschen und helfe denen, die dafür bereit sind, ihren Lebenstraum zu verwirklichen. Ich kann in ihr Innerstes blicken, tiefer als diese selbst. Ich sehe ihre Sorgen und Ängste, aber auch ihre Sehnsüchte.

Bei manchen sind die Träume tief vergraben. Fast verschwunden unter einem Haufen Seelenmüll, der sich im Laufe ihres Lebens angesammelt hat. Sie sind kaum noch wahrnehmbar, wie das letzte Glimmen eines Feuers in der beinahe erloschenen Glut.

Ich bin der Windstoß, der alles wieder in Wallung bringt und das Feuer mit neuem Sauerstoff versorgt. Ich bin unerlässlich und zugleich ungemein gefährlich: Zu starker Wind kühlt aus oder erstickt.

So sehr ich mich bemühe, das richtige Maß zu finden, gelingt es mir nicht immer. Außerdem nutze ich nur dann etwas, wenn jemand da ist, der dem Feuer neue Nahrung gibt, sonst erlischt es endgültig.

Oft sehe ich Menschen, die nur noch eine leere Hülle sind, bei denen der letzte Funke verglüht ist. Bei diesen armen Wesen halte ich inne, betrachte sie traurig und setze danach meinen Weg fort. Sie tun mir leid, aber helfen kann ich ihnen nicht mehr. Sie haben den Windhauch zu oft ignoriert.

Wie ich aussehe?

Ich habe keinen festen Körper; nehme die Form an, die am besten verstanden wird: Mal bin ich ein Geistesblitz, ein Lied im Radio, ein nächtlicher Traum; mal ein Sonnenstrahl, der einen Gegenstand in einem anderen Licht erscheinen lässt.

Ich bin in der Lage, Dinge und Menschen so zu lenken, dass sie aufeinander treffen, wenn sie einander brauchen. Bin dort, wo man mich braucht, wenn man mich braucht und zeige mich in der Form, wie man mich am besten verstehen kann.

Ich stecke auch in der Feder der Person, die dieses Buch geschrieben hat: Ich schickte ihr Ideen und Bilder für ihre Geschichten und gab ihr neue Kraft, als sie dabei war, ihren Traum aufzugeben. Auch machte ich sie mit den Menschen bekannt, die sie auf ihrem Weg begleiteten. Ich erhellte ihre Seele in Momenten des Zweifels und der Einsamkeit.

Natürlich habe ich nicht nur nette Seiten. Manchmal bin ich wie ein kleines Kind: Ich spiele gerne und schicke den Menschen Stolpersteine auf ihrem Weg, um ihren Mut und ihre Kreativität zu testen – wer weiß schon eine Gabe zu schätzen, wenn er den dafür nötigen Aufwand nicht kennt?

Ich verteile keine Geschenke, sondern Einzelteile, die der Empfänger, wie bei einem Puzzle, selbst ordnen und zusammenfügen muss. Und wenn ein Teil nicht passt, muss er den Mut aufbringen, es auszusortieren. Er kann es wegwerfen oder verschenken, das bleibt ihm überlassen.

Dieses Buch besteht aus Puzzleteilen, die von Menschenhand zusammengefügt wurden. Es ist zum Teil verwirrend, fehler- und lückenhaft.
Vielleicht reicht es trotzdem aus, um der einen oder anderen Person einen Anstoß zu geben, ihren Traum wieder in Angriff zu nehmen …

(Kurzgeschichte aus: Endlich rund …)

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Frau Mauz‘ Brillen …

Frau Mauz‘ Brillen sind ihre Freunde und Feinde zugleich. Sie bringen Sinn in ihr Tun und in ihr Spiel, leider verwirren sie Frau Mauz auch:

Wann gehört die Lesebrille auf ihre Nase? Wo ist sie, wenn sie nicht dort ist? Und was hat es mit all den anderen Brillen auf sich, die Frau Mauz mit sich herumschleppt?
Weiß Frau Mauz, wie sie aussieht, wenn sie drei bis vier der hohlen oder halbhohlen Gestelle übereinander trägt?

Frau Mauz ähnelt dank ihrer Brillenfreunde im Laufe der Zeit immer mehr dem Wesen des Titelbildes ihres Heftes

Frau_Mauz_Kabel
Foto: Jürgen Klieber
Frau_Mauz_Suche
Foto: Jürgen Klieber

Hier eine kleine Auflistung der bislang vorkommenden Brillenmodelle:

1. Frau Mauz‘ Grundbrille: groß, zartrosa meliert, von Oma …
2. Frau Mauz‘ Professorenbrille: schwarz und seriös
3. Frau Mauz‘ Lesebrille: schmal, rosa und eckig (mit Brillenband)
4. Frau Mauz‘ Kinderbrillen: rosa-gelb und/ oder schwarz (beide rund)
5. Frau Mauz‘ Sonnenbrille
6. Frau Mauz‘ Herzbrille
7. Frau Mauz‘ Nerdbrille: schwarz, rund, kaputt
8. Frau Mauz‘ Herrenbrille: gold, rund, vom Nikolaus geklaut …
9. Frau Mauz‘ Taubenbrille
10. Frau Mauz‘ Blumenbrille
11. Frau Mauz‘ Ersatzlesebrillen: schmal, dunkelrosa
12. …

Die kleine Quetsche

Frau Mauz liebt ihre kleine Quetsche, auch wenn sie kaum darauf spielen kann. Ohne ihr Notenheft bekommt sie keinen klaren Ton heraus, und auch damit klingt es nicht immer so, wie es sich gehört.

Frau Mauz liebt auch bestimmte Lieder, die sie immer und immer wieder spielt. So lange, bis keiner, außer ihr, sie noch hören kann und will.

Frau Mauz‘ Traum: Ein Chor, ganz für sie allein, der zu der Melodie ihrer kleinen Quetsche singt …

Hier schon mal den Text von Frau Mauz‘ Lieblingslied zum Üben:

Die Gedanken sind frei!

Die Gedanken sind frei,
wer kann sie erraten,
sie fliehen vorbei
wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
kein Jäger erschießen,
es bleibet dabei:
die Gedanken sind frei.

Ich denke, was ich will,
und was mich beglücket,
doch alles in der Still,
und wie es sich schicket.
Mein Wunsch und Begehren
kann niemand verwehren,
es bleibet dabei:
die Gedanken sind frei.

Ich liebe den Wein,
mein Mädchen vor allen,
sie tut mir allein
am besten gefallen.
Ich bin nicht alleine
bei meinem Glas Weine,
mein Mädchen dabei:
die Gedanken sind frei.

Und sperrt man mich ein
im finsteren Kerker,
das alles sind rein
vergebliche Werke;
denn meine Gedanken
zerreißen die Schranken
und Mauern entzwei:
die Gedanken sind frei.

Drum will ich auf immer
den Sorgen entsagen
und will mich auch nimmer
mit Grillen mehr plagen.
Man kann ja im Herzen
stets lachen und scherzen
und denken dabei:
die Gedanken sind frei.

Die Kunst, ein Clown zu sein …

Die Kunst, ein Clown zu sein …

Wie schafft man es, einen Plan für sich und sein Leben zu entwickeln, wenn man gerade gar nicht in der Stimmung dafür ist? Wenn man merkt, dass jeder Versuch, etwas zu ändern unglaublich viel Kraft und Zeit kostet? Wenn man das Gefühl hat, dass es in dem eigenen Umfeld keinen Menschen gibt, der einem die Fragen, die einem gerade am dringlichsten auf dem Herzen liegen, beantworten kann?

Indem man sich die Alternative vor Augen hält:
Wenn man es nicht schafft, seinen größten Traum trotz gewisser Hürden in Angriff zu nehmen, wenn man darauf hofft, dass eines Tages ein Wunder geschieht und dieses einem dann alle wichtigen Entscheidungen abnimmt, muss man manchmal echt lange auf sein Glück warten.
Ich hasse es zu warten! Wahrscheinlich renne ich deshalb immer wieder in meinem Kopf im Kreis: Immer wieder um die Frage herum, die mich gerade am meisten beschäftigt. So lange, bis ich zu müde bin, um weiter darüber nachzudenken oder bis ich die Antwort gefunden habe. Witzigerweise erscheint mir diese meistens im Schlaf, durch einen Traum.
Ich bin der festen Überzeugung, dass dies nur deshalb gelingt, weil ich mich davor schon so intensiv mit der offenen Frage beschäftige.

Heute Nacht träumte ich von meiner Quetsche und dem Lied: „Die Gedanken sind frei!“. Diese beiden Dinge will und werde ich in meinen nächsten Auftritt und das Solo, Frau Mauz‘ eintagsfliegen, einbauen. Ich werde meine Zuschauer so lange damit bespaßen, bis sie und ich keinen Spaß mehr daran haben.
Auf diese Weise will ich ihnen das Grundproblem eines Clowns nahe bringen: Er weiß nicht, wann Schluss ist. Er zögert das Ende zu lange hinaus und verliert dadurch wertvolle Sympathien bei seinem Publikum. Diese muss er sich dann mühsam, Stück für Stück zurückerobern. Mal schauen, ob es mir, beziehungsweise Frau Mauz, gelingt.

Ich freue mich auf jeden Fall schon auf die neue Herausforderung und freue mich über jeden Zuschauer, der an diesem oder einem anderen Abend mit mir und Frau Mauz lacht und leidet: Auftrittstermine.

Herzliche Grüße,

Sabine MauzGiftpilz

Fiktive Freunde

Hier drei Buchempfehlungen, die sich bereits vor einigen Jahren in Sabine Mauz‘ ersten Selbsthelferblog befanden. Sie geben eine Idee davon, wie wichtig und hilfreich Lesen sein kann …

Erebos

Erebos (griechisch Ἔρεβος von ἔρεβος „dunkel“, latinisiert Erebus) ist in der griechischen Mythologie der Gott und die Personifikation der Finsternis. Wie Tartaros wurde er als Teil der Unterwelt betrachtet.” (Zitat von Wikipedia)

Was erwartet man von einem Buch, das diesen Titel trägt? – Mord und Totschlag? Intrigen? Finsternis?
All diese Dinge kommen in gewisser Weise in dem Thriller von Ursula Poznanski vor, allerdings in einer ganz anderen Form als ich sie bislang kannte:

Ein Computerspiel ist es, das die Jugendlichen einer Schule fasziniert und ganz in ihren Bann zieht.
Was die Schüler daran begeistert, wird schnell klar, wenn man erfährt, wie das Spiel aufgebaut ist:
Es geht auf die individuellen Interessen seiner Spieler ein, lockt diese mit der Erfüllung ihrer Träume immer weiter in sein Netz. Dafür stellt es ihnen Aufgaben, die sie immer wieder an ihre Grenzen bringen. Überleben wird nur der, der sie erfüllt.

Die jungen Menschen bekommen dank der fiktiven Welt die Chance, in einer neuen Gruppe eine neue Position einzunehmen und sich auf diese Weise eine neue Identität zuzulegen.
Die Frage ist: Was tun sie alles für die Anerkennung anderer? Wann verliert der Mensch den Bezug zur realen Welt und deren Grenzen?

Die Stadt der träumenden Bücher

Hildegunst von Mythenmetz begibt sich auf die Suche nach dem unbekannten Verfasser eines unglaublich berührenden Manuskripts: Es verursacht bei jedem Leser einen Wirbelsturm der Gefühle, ohne dass dieser in irgendeiner Form Einfluss darauf hätte.
Es ist fantastisch, aber leider ist der Autor unauffindbar! Selbst in der Stadt der träumenden Bücher, in dem Paradies für Schriftsteller und Bücherliebhaber, findet sich kein Anhaltspunkt auf ihn und seinen Verbleib.

Dafür gerät der ambitionierte Lindwurm und Nachwuchsschriftsteller Hildegunst von Mythenmetz bei seinen erfolglosen Nachforschungen aus Versehen in dunkle Machenschaften und finstere Intrigen hinein. Man will ihn verschwinden lassen und verbannt ihn in die tiefen Tunnel unter der Stadt, wo ihn geldgierige Bücherjäger und andere düstere Gestalten verfolgen.
Was er dort alles erlebt, ist ein eigenes Buch wert, zumal es sehr anschaulich beschrieben und wunderbar illustriert ist:

Walter Moers war mir bis zum Lesen dieses Romans “nur ” als Comiczeichner und Verfasser des “kleinen Arschlochs” bekannt. Dass er tatsächlich auch mir gute Unterhaltung bieten kann, hatte ich nicht erwartet. Ich liebe seine farbenfrohen Schilderungen und feinen Spitzen, die man gut und gerne auf unsere Welt und deren Bewohner übertragen kann …

Die unendliche Geschichte

Eine unendlich schöne Geschichte von Michael Ende mit unglaublich geistreichen Bildern und Vergleichen zum wahren Leben:

Der Junge Bastian Balthasar Bux ist so begeistert von der Idee einer unendlichen Geschichte, dass er das Buch mit besagtem Titel aus dem Antiquariat stiehlt, in dem er es entdeckt. Aus Scham und Angst vor Strafe flüchtet er auf den Dachboden seiner Schule und beginnt dort, darin zu lesen.
Er landet in Fantasien, dem Land der Fantasie, das sich leider gerade in Luft auflöst, weil seine Königin krank ist. Man muss sie retten, indem man ihr einen neuen Namen gibt. Das kann nur ein Mensch, kein Bewohner der fiktiven Welt.

Wie gelangt Bastian Balthasar Bux nach Fantasien, um seine neu gewonnenen Freunde zu retten? Was passiert mit mit dem Jungen, wenn er den Dachboden um sich herum und seine eigene Geschichte vergisst? Wie kommt er zurück zu seinem vereinsamten Vater? Und was lernt er aus diesen Erfahrungen?

Dieser Roman schildert die Freuden und Gefahren einer Flucht in die Welt der Fantasie. Er ist ein wundervolles Beispiel dafür, wie und was man aus Büchern lernen kann ..

Selbsthelfer für Schnellhelfer

Das Jahresprogramm des Selbsthelfers befindet sich bereits auf der entsprechenden Projektseite.

Für diejenigen, die nicht so viel Geduld haben, ein Jahr am Stück an sich zu arbeiten oder die erst einmal wissen wollen, ob das Selbsthelferkonzept etwas für sie ist, gibt es hier noch mal die abgespeckte Version davon, die damals auch auf Sabine Mauz‘ Blog zu finden war:

Wochenprogramm

P.S: Auch dieses Programm befindet sich unter dem Schutz der Creative Commens Licence:

Creative Commons Lizenzvertrag
Seĺbsthelfer: Wochenprogramm von Sabine Mauz ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz.

Hannah Hermann

Es gibt eine Figur, die immer wieder in Sabine Mauz‘ Büchern und Geschichten auftaucht und bei der viele Parallelen zu dem Leben und Handeln der Autorin erkennbar sind. Es wird Zeit dafür, dass Hannah Hermann auch in diesem Blog erscheint.
Da das Romankonzept für sie noch nicht einmal ansatzweise vorzeigbar ist, bleibt es hier und heute bei der Veröffentlichung zweier Kurzgeschichten, in denen die Ergotherapeutin eine wichtige Rolle spielt.

Es handelt sich dabei um Sabine Mauz‘ Beiträge zu den letzten beiden Münchner Kurzgeschichtenwettbewerben. Der zweite Text kam letztes Jahr sogar unter die besten 50:

Auf dem Weg zum wahren Helden

Im Namen der Gerechtigkeit

Frau Mauz‘ eintagsfliegenfreunde: Leonie und Caro

Frau Mauz liebt all ihre Fantasiefreunde. Unabhängig davon, wie sie sich verhalten. Denn Frau Mauz weiß: In jedem Mensch steckt ein guter Kern, der sich danach sehnt, entdeckt zu werden.

Dieser Text ist ein Vorabdruck von: Frau Mauz‘ eintagsfliegen, Volume 3a:

Ameisenbär

Du-u, Mama? Wie sieht denn ein Ameisenbär aus?“, wollte Leonie von ihrer Mutter Caro wissen. Diese war gerade dabei, die Wäsche der Familie zu bügeln und zusammenzulegen und hatte überhaupt keinen Nerv für die Auseinandersetzung mit ihrer wissbegierigen, sechsjährigen Tochter.

Du bist jetzt in der Schule, da lernt man doch, wie man solche Fragen selbst beantworten kann, oder? Schlag in einem Lexikon unter dem Buchstaben A nach, dann findest du das Tier irgendwann.“
Leonie stand in Zwischenzeit neben Caro am Bügelbrett und schaute der Hand ihrer Mutter dabei zu, wie sie mit dem heißen Eisen Leonies Lieblings-T-Shirt glatt strich.
Aber Mama, so gut kann ich noch nicht lesen“, erklärte das Mädchen verlegen. „Ich kann erst das A und das M und das I und das E, …“
Ach, das sind schon fast alle Buchstaben, die man braucht, um das Wort Ameisenbär zu schreiben. Warte einfach noch ein paar Wochen und merke dir deine Frage. Ich habe jetzt etwas Besseres zu tun als dir ein langweiliges Tier zu beschreiben. Und überhaupt: Wie kommst du denn ausgerechnet auf den Ameisenbär?“ Caro setzte nun doch das Bügeleisen ab und schaute ihre Tochter fragend an.
Leonie stupste mit dem Fuß nach einem kleinen Fussel auf dem Teppich und wich dem strengen Blick Caros aus: „Der Tom hat gesagt: Ich bin ein Ameisenbär.“
Caro begann zu lachen: „Aha, haha, du bist also ein Ameisenbär. Davon wusste ich noch gar nichts. Haha. Und wie kommt der Tom darauf?“
Leonie zuckte hilflos mit den Schultern und bückte sich nach dem weißen Faden, der sie so sehr faszinierte: „Er hat gesagt, dass meine Nase genauso lang ist wie die von dem Bär. Und dass ich genauso klein bin.“
Caro schüttelte ungläubig den Kopf: „Hat denn der Tom so ein Tier schon mal gesehen? Es ist nämlich echt dumm von ihm, so etwas zu behaupten: Du hast überhaupt keine Ähnlichkeit mit einem Ameisenbär!“
Caro griff nach ihrem Arbeitsgerät und setzte ihre Tätigkeit fort. Für sie war das Gespräch beendet, aber Leonie war mit der Antwort ihrer Mutter nicht zufrieden:
Hat ein Ameisenbär eine lange Nase?“ Die Augen des Mädchens verfolgten nun wieder Caros Hand. Diese faltete das kleine, rosafarbene T-Shirt vorsichtig zusammen und legte es in den blauen Wäschekorb.
Ja, ich glaube schon. Aber du nicht! Und bevor du weiter so blöd fragst: Ja, ein Ameisenbär ist klein und du bist es auch, aber das ist normal in deinem Alter. Du hast noch sehr viel Zeit zum Wachsen!“
E-echt? Werde ich so groß wie du? Ich will so groß werden wie du!“
Nun zuckte Caro mit den Schultern: „Woher soll ich das wissen? Das müssen wir abwarten!“ Sie nahm das nächste Wäschestück vom Gipfel des Berges und legte es vor sich auf das Bügelbrett, dieses Mal war es Thorstens schwarzweiß kariertes Hemd.
Der Papa sagt immer, dass ich so groß wie er werde“, erklärte Loenie sachlich und erschreckend selbstsicher.
Caro verdrehte genervt die Augen: „Der Papa kann auch nicht wissen, wie groß du wirst“, verbesserte sie ihren abwesenden Mann. „Der Papa sagt das nur, damit du endlich ruhig bist und er wieder auf seinen blöden Fernseher starren kann!“
Leonie riss ungläubig ihre Augen auf und schrie laut: „Nein! Das stimmt nicht! Der Papa weiß genau wie groß ich werde!“
Caro fuhr sich durch ihre feuchten, verknoteten Haare: „Weißt du was: Glaub doch was du willst! Dann frag aber auch beim nächsten Mal den Papa, wie du aussiehst. Der zeigt dir dann bestimmt den Ameisenbär. Ich hab die Nase voll!“ Caro knallte das Bügeleisen auf die Unterlage, direkt auf das spießige Männerhemd, dann rannte sie schluchzend aus dem Wohnzimmer.


Ameisenbär von Sabine Mauz ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz.

Hintergründe

Eintagsfliege: „Der Grenzgänger“

Der folgende Text ist circa acht Monate alt. Es handelt sich dabei um eine Idee für eine Geschichte, die von Frau Mauz nicht weiter verfolgt wurde. Also auch eine eintagsfliege …

Der Grenzgänger

Der achtundzwanzigejährige, schmächtige, jungenhaft wirkende Mann flog über die innere Mauer hinweg, die keiner außer ihm kannte und reichte der fremden Frau seine Hand: „Hallo, ich bin Maxi!“, erklärte er lächelnd und freute sich, wie gelassen seine Stimme klang, während sein Herz raste.
Die hübsche, gut gebaute Blondine griff nach seiner kalten, klammen Hand und drückte diese sanft: „Hallo, ich bin Steffi.“, hauchte sie und hielt ihn einen Moment fest, dann ließ sie Maxi wieder los. Steffi widerstand nur mühsam dem Impuls, die eigene Hand an etwas abzuwischen. Aus Scham versteckte sie das klebrige Anhängsel hinter ihrem Rücken und fuhr dort heimlich damit über ihren engen Wollpulli.

Du siehst toll aus!“ Maxi sprach das aus, was ihm gerade in den Sinn kam. „Hast eine Hammerfigur! Machst du Sport?“
Steffi lächelte erfreut. Offensichtlich hatte er direkt den richtigen Aufhänger für dieses langweilige, erste Gespräch gefunden.
„Ja. Ich liebe Sport! Ich bin rund um die Uhr unterwegs, wenn ich nicht gerade arbeiten muss. Ich gehe unglaublich gerne klettern, ins Fitnessstudio, joggen, schwimmen, …“
Wow, das ist ja echt cool!“ Maxi hatte keine Ahnung, wie die Begeisterung in seine Stimme kam, aber er freute sich darüber: Je ehrlicher er klang, desto leichter würde es mit Steffi werden. Heute Abend würde er sie den Jungs bestimmt schon öffentlich als seine neue Freundin vorstellen können, danach würden sie ihn hoffentlich wieder in Ruhe lassen mit ihren nervigen Fragen zu Maxis Liebesleben. Dann würde er endlich wieder in Ruhe Doppelkopf spielen können …

… war ich unglaublich unsportlich, in der Zwischenzeit kann ich mir eine Leben ohne Bewegung gar nicht mehr vorstellen.“
„Ja, das geht mir genauso“, schleimte Maxi. „Ich spiele am liebsten Fußball, gehe Schlittschuh laufen und Inline skaten. Kannst du damit auch was anfangen?“ Er hoffte, dass Steffis Antwort Nein lauten würde, damit er seine Freizeit von nun an nicht ganz und gar mit ihr teilen musste. Es reichten die Abende, das Wochenende, die Partys …

Das Mädchen schüttelte den Kopf: „Nein, dafür bin ich viel zu ungeschickt. Ich behalte lieber beide Beine auf dem Boden – außer beim Klettern natürlich“, fügte sie hektisch hinzu. Sie schien sich für ihre unbeabsichtigte Falschaussage tatsächlich zu schämen. Also hatte er mal wieder eine unglaublich gut aussehende Frau mit viel zu geringem Ego gefunden.
Die Erkenntnis ließ Maxis Herz noch schneller schlagen: Unter diesen Umständen war er sogar dazu bereit, sich jederzeit um die süße Schnecke hier zu kümmern: „Ach was! Wer klettern kann, kann auch skaten. Ich bringe es dir gerne bei, wenn du magst!“ Ein schüchternes Lächeln, treu blickende Dackelaugen und ein schief gelegter Kopf. Das würde … – „Echt?“, hauchte Steffi. „Meinst du wirklich, dass ich das jetzt noch lernen kann? Ich bin doch schon fünfundzwanzig!“ – … funktionieren!, jubelte Maxi innerlich.
„Aber klar, das machen wir schon!“, erklärte sein trockener Mund währenddessen. „Aber erst gehen wir was zusammen trinken, um uns besser kennenzulernen. Einverstanden?“
„Ja, gerne“, säuselte die süße, kleine Steffi. „Wohin willst du denn?“
Oh je, das war fast schon zu einfach. Maxi hätte nach dem ersten Chat nicht gedacht, dass die fremde, junge Frau so naiv sein würde. Vielleicht lag es daran, dass sie Erzieherin und somit supersozial war. Auf jeden Fall war sie willig und Maxi würde sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen: „Es gibt da eine tolle Kneipe in der Innenstadt. Da gehe ich am liebsten hin, die würde ich dir gerne zeigen!“
Steffi nickte hörig, ohne nach dem Namen der Lokalität zu fragen. Es war ihr anscheinend vollkommen egal, wohin er sie führte. Perfekt! Dann würde sie ihm auch glauben, dass seine Kumpels rein zufällig vor Ort waren …

Maxi griff nach Steffis Hand und streichelte diese zärtlich: „Man, du bist echt der Hammer! Bin ich froh, dass ich dich angeschrieben habe.“ Dann führte er seine neue, glücklich strahlende Freundin ab, hinein in eine unsichere Zukunft voller unvorhersehbarer Zufälle.

Endlich rund: „Der Schlüssel“ …

Der folgende Text ist circa 14 Jahre alt und stammt aus Sabine Mauz‘ erstem Werk: Endlich rund oder: Die Geburt eines Clowns. Es handelt sich dabei um eine Sammlung früherer Kurzgeschichten, aus der Zeit, als sie noch nicht eintagsfliegen hießen …

Der Schlüssel

Vor einigen Jahren wagte ein Freund ein Spiel mit mir. Es entstand aus der Übermütigkeit eines Betrunkenen heraus und endete in einer Ernsthaftigkeit, die er sich in dem Moment, in dem er es begann, mit Sicherheit nicht vorstellen konnte:

Wir waren in der Altstadt und feierten den Geburtstag eines gemeinsamen Freundes. Es war ein fröhlicher Abend. Wir tranken viel, blödelten herum und genossen die Zeit, die wir gemeinsam verbrachten. Irgendwann wurde es einem von uns zu langweilig. Er kam auf die Idee, mir einen Streich zu spielen und mir meinen Wohnungsschlüssel aus der Tasche zu klauen. Wie er mir später erklärte, wollte er mich endlich mal wütend erleben.

Ich merkte den ganzen Abend nicht, dass der Schlüssel weg war. Der nüchterne Fahrer gab mir zwar den Tipp, mal danach zu sehen, aber ich hörte ihm nicht zu. Selbst als mir der Dieb zum Abschied erklärte, er würde diese Nacht bei mir in der Wohnung schlafen, nahm ich ihn nicht ernst.

Erst als wir vor der Türe standen und mich der Fahrer fragte, ob ich meinen Schlüssel wieder habe und ich in meine Tasche schaute, wurde mir klar, dass er tatsächlich verschwunden war. Ich war schockiert: Niemals hätte ich mir träumen lassen, dass ein Freund ohne meine Erlaubnis in meine Wohnung eindringen würde. Ich fragte mich, was er dort machen, ob er meine Tagebücher lesen würde und war zutiefst enttäuscht darüber, dass er sich auf diese Weise mein Vertrauen erschlichen hatte.

Ich war so verstört von dieser Erkenntnis, dass ich nicht klingelte, sondern lieber mit in die Wohnung meines Fahrers fuhr und dort übernachtete. Am nächsten Morgen ging ich erst mal an die Uni, um meine Vorlesungen wahrzunehmen. Ich war total übermüdet, hatte weder Zähne geputzt, noch meine Klamotten gewechselt, aber die Kurse waren wichtig. Ich wollte sie nicht verpassen.

Im Laufe des Vormittages hakte ich per SMS bei dem Dieb nach und fragte, was mit meinem Schlüssel sei. Er antwortete mir, dass er arbeiten müsse, ich ihn aber gerne bei ihm abholen könne. Das war der Punkt, an dem ich wirklich wütend wurde. Ich verfluchte ihn für seine Dreistigkeit: Wie konnte er es wagen, mich nach dieser Aktion durch die halbe Stadt zu jagen, um mein Eigentum abzuholen?! Wäre er in dem Moment neben mir aufgetaucht, wäre ich ihm an die Gurgel gesprungen.

Sein Glück war, dass eine Stunde Straßenbahnfahrt und mehrere verzweifelte „Wo – bin – ich – hier – eigentlich?“ – Anrufe bei ihm zwischen uns lagen. Am Ende versuchte ich zwar noch, ihm böse zu sein, aber als er mich am Empfang seiner Firma abholte, konnte ich nur noch lachen: Sein dämliches, schuldbewusstes Gesicht sah einfach zu komisch aus …