Es war einmal vor langer, langer Zeit, da kam Sabine Mauz diese Idee für eine Geschichte in den Sinn. Eigentlich sollte sie länger werden, aber es blieb bei dem kurzen Auszug.
Eine Eintagsfliege also, die trotzdem immer wieder Spaß und Mut macht, zumindest der Autorin selbst.
Sie befindet sich in dem ersten echten Buchprojekt von Sabine Mauz: Endlich rund …
Der gute Geist
Wer ich bin?
Ich habe keinen festen Namen. Heiße so, wie mich die Menschen nennen wollen. Für manche bin ich ein Zeichen oder Schicksal, für andere ein Engel oder ein guter Geist und für manche bin ich nicht vorhanden – Humbug.
Was ich mache?
Ich ziehe durch die Welt, sehe in die Seelen der Menschen und helfe denen, die dafür bereit sind, ihren Lebenstraum zu verwirklichen. Ich kann in ihr Innerstes blicken, tiefer als diese selbst. Ich sehe ihre Sorgen und Ängste, aber auch ihre Sehnsüchte.
Bei manchen sind die Träume tief vergraben. Fast verschwunden unter einem Haufen Seelenmüll, der sich im Laufe ihres Lebens angesammelt hat. Sie sind kaum noch wahrnehmbar, wie das letzte Glimmen eines Feuers in der beinahe erloschenen Glut.
Ich bin der Windstoß, der alles wieder in Wallung bringt und das Feuer mit neuem Sauerstoff versorgt. Ich bin unerlässlich und zugleich ungemein gefährlich: Zu starker Wind kühlt aus oder erstickt.
So sehr ich mich bemühe, das richtige Maß zu finden, gelingt es mir nicht immer. Außerdem nutze ich nur dann etwas, wenn jemand da ist, der dem Feuer neue Nahrung gibt, sonst erlischt es endgültig.
Oft sehe ich Menschen, die nur noch eine leere Hülle sind, bei denen der letzte Funke verglüht ist. Bei diesen armen Wesen halte ich inne, betrachte sie traurig und setze danach meinen Weg fort. Sie tun mir leid, aber helfen kann ich ihnen nicht mehr. Sie haben den Windhauch zu oft ignoriert.
Wie ich aussehe?
Ich habe keinen festen Körper; nehme die Form an, die am besten verstanden wird: Mal bin ich ein Geistesblitz, ein Lied im Radio, ein nächtlicher Traum; mal ein Sonnenstrahl, der einen Gegenstand in einem anderen Licht erscheinen lässt.
Ich bin in der Lage, Dinge und Menschen so zu lenken, dass sie aufeinander treffen, wenn sie einander brauchen. Bin dort, wo man mich braucht, wenn man mich braucht und zeige mich in der Form, wie man mich am besten verstehen kann.
Ich stecke auch in der Feder der Person, die dieses Buch geschrieben hat: Ich schickte ihr Ideen und Bilder für ihre Geschichten und gab ihr neue Kraft, als sie dabei war, ihren Traum aufzugeben. Auch machte ich sie mit den Menschen bekannt, die sie auf ihrem Weg begleiteten. Ich erhellte ihre Seele in Momenten des Zweifels und der Einsamkeit.
Natürlich habe ich nicht nur nette Seiten. Manchmal bin ich wie ein kleines Kind: Ich spiele gerne und schicke den Menschen Stolpersteine auf ihrem Weg, um ihren Mut und ihre Kreativität zu testen – wer weiß schon eine Gabe zu schätzen, wenn er den dafür nötigen Aufwand nicht kennt?
Ich verteile keine Geschenke, sondern Einzelteile, die der Empfänger, wie bei einem Puzzle, selbst ordnen und zusammenfügen muss. Und wenn ein Teil nicht passt, muss er den Mut aufbringen, es auszusortieren. Er kann es wegwerfen oder verschenken, das bleibt ihm überlassen.
Dieses Buch besteht aus Puzzleteilen, die von Menschenhand zusammengefügt wurden. Es ist zum Teil verwirrend, fehler- und lückenhaft.
Vielleicht reicht es trotzdem aus, um der einen oder anderen Person einen Anstoß zu geben, ihren Traum wieder in Angriff zu nehmen …
(Kurzgeschichte aus: Endlich rund …)